Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Christl Schäfer-Geiger
Ganz schön nahe
Eine Frau platzt in das abendliche Essen, eine Runde aus lauter Männern. Sie hat es eilig. Wenn sie zögert…… „Mach ich’s, mach ich’s nicht“, dann traut sie sich vielleicht nicht mehr. Oder der Männerkreis hält sie auf, das zu tun, was sie sich vorgenommen hat. Sie geht auf Jesus zu, öffnet ein Fläschchen mit dem teuersten Duftöl weit und breit und gießt es komplett über seinen Kopf. Sie verteilt es zärtlich und der Duft verteilt sich im ganzen Raum. Er genießt sichtlich die Zuwendung.
Diese zauberhafte Geschichte aus Markus 14, 1-9 wäre der Predigttext für meinen ersten Gottesdienst als Lektorin gewesen. Wie schade, dass diese Geschichte voller Nähe in eine Zeit fällt, die keine Nähe zulässt. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Frau, deren Namen wir nicht erfahren, etwas tut, was man eigentlich nicht macht. „Das tut man nicht“ geistert durch meinen Kopf, weil ich das früher so oft gehört habe. Gibt es eine Regel, was man tut und was man zu lassen hat?
Ich erinnere mich an einen Morgen vor Corona. Ich gehe die Pragerstraße entlang und sehe von weitem eine Freundin, die eine Bekannte begrüßt und umarmt. Ich gehe auf die beiden zu und sage: „Ich möchte auch umarmt werden.“ Mit einem Lachen werde ich herzlich gedrückt und setze meinen Weg fort. Das begleitet mich den ganzen Tag.
Ist Herzlichkeit und Liebe Verschwendung? Ist das Ausgießen des teuersten Parfums Verschwendung? So sagen es zumindest die Männer an Jesu Tisch. Man hätte das Geld für die Armen besser einsetzen können. Durchaus. Aber diese Frau hat getan, was in dem Moment notwendig war. Dafür war ihr jedes Mittel recht. Sie hat sich nicht um die Form geschert, war alles andere als nüchtern und hat der Sinnlichkeit einen Platz gegeben.
Jemandem nahe sein, ist wichtig, jemandem zu zeigen, dass man an ihn denkt, ist wichtig. In den Zeiten des „Abstands“ versuche ich auf alle Fälle ein Lächeln zu verschenken. Das steckt nicht an und ist nicht verboten. Und ich schreibe jeden Tag eine Nachricht an jemanden, den ich schon lange nicht mehr gesehen oder gehört habe.
„Mach ich’s, mach ich’s nicht“. Natürlich mach ich es. Nähe ist zurzeit anders als je zuvor. Aber egal in welcher Form, sie ist nie verschwendet.
___________________________________________________________________________________________
Am kommenden Mittwoch, den 8. April, wird zum Gebet für Deutschland eingeladen
u.a. mit dem evangelischen Regionalbischof von Augsburg, Axel Piper, und dem katholischen Bischof vom Bistum Passau, Stefan Oster.
Von 17.00 – 18.30 Uhr können Sie mitbeten unter www.deutschlandbetetgemeinsam.de
___________________________________________________________________________________________
Liebe Christl, danke für Deinen heutigen Beitrag. Deine Worte haben mich sehr berührt und treffen genau die gegenwärtige Situation.