Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Die Nacht ist vorgedrungen
Als ich die Geschichte von Jochen Klepper das erste Mal in meinem Leben gehört habe, war ich tief betroffen und innerlich gespalten. Wie sollte ich diesen Menschen einordnen? Viele seiner nur 39 Lebensjahre (und damit wurde er genauso alt wie Dietrich Bonhoeffer) waren eine einzige Krise!! Als Pfarrerssohn besuchte er das Evangelisch-Humanistische Gymnasium in der Kreisstadt Glogau. Später studierte er ab 1922 Evangelische Theologie in Erlangen und ein Jahr später in Breslau. Er hatte einen sehr labilen Gesundheitszustand mit Kopfscherzen und Schlafstörungen. Deshalb verzichtete er darauf, Pfarrer zu werden. Er arbeitete ab 1927 als Journalist, Hörfunkautor und Schriftsteller. Mit seiner Familie zog er 1931 nach Berlin und begann im selben Jahr ein Tagebuch zu schreiben.
Es ist die Quelle seines Lebens bis zu seinem Tod. Aus ihm erfahren wir seine inneren Gedankengänge, seine Freuden und seine Ängste. Mit der Machtübernahme der Nazis spitzte sich seine Lebenskrise zu. Er war Mitglied der SPD gewesen und seine Frau Johanna war Jüdin. Er geriet unter Druck durch die Nürnberger Rassegesetze und musste sein persönliches Familienleben mit der Mehrheitsmeinung der Gesellschaft irgendwie in Einklang bringen. Er wendete sich noch mehr seinem Glauben an Gott zu und begann das Tagebuch mit dem Bibelwort der Herrnhuter Losungen.
Er schrieb wohl seine bedeutendste Schrift: der Roman „Der Vater“. Darin beschreibt er den Konflikt zwischen dem preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und dessen Sohn Friedrich II., dem späteren „Alten Fritz“, der bis heute als Friedrich der Große in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Offenbar war seine Intention, ein Bild eines Königs zu entwerfen, der in allem nach Gott fragt und sich als „ersten Diener im Staat“ begreift. Er sollte das Gegenbild zum Führerkult des Nationalsozialismus sein.
Sein privater Konflikt, eine 13 Jahr ältere Jüdin geheiratet zu haben, spitzte sich zu. Es nützte auch nichts, dass sich seine Frau am 18.12.1938 hat taufen lassen. Er war kurze Zeit Soldat, wurde aber wegen seiner „nichtarischen Ehe“ im Oktober 1941 aus der Wehrmacht entlassen. Ein Jahr später scheiterte die Ausreise der jüngsten Tochter. Ende des Jahres 1942 musste eine Entscheidung in seinem persönlichen Leben her. Entweder seine Ehe wurde zwangsweise geschieden oder alle kommen ins Gefängnis oder werden in ein KZ deportiert. Nach langem Ringen entschloss sich die Familie zum Freitod. In der Nach vom 10. Auf den 11. Dezember 1942 haben sie sich durch Schlaftabletten gemeinsam das Leben genommen. Der letzte Eintrag in sein Tagebuch gehört zu den berühmtesten neueren persönlichen Überlieferungen von Schriftstellern überhaupt: „Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben“.
Im neuen evangelischen Gesangbuch stehen viele Lieder von ihm. Nicht selten wird „Ja, ich will euch tragen“ (EG 380) vor allem bei Beerdigungen gewünscht. Aber nachdem sein Todestag genau heute vor 78 Jahren war, soll vor allem an sein Adventslied erinnert werden (EG 16): „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern! Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein. Noch manch Nacht wird fallen auf Menschenleid und –schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her“.
Lieber Gerhard,
danke für diese Erinnerung an Joachim Klepper. Das Lied, das Du beschreibst, gehört auch zu meinen liebsten (ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll. Lieb, weil ans Herz gewachsen. Nicht lieb im Sinne eines Ohrwurms) Adventsliedern. Ich kannte schon die Umstände um Kleppers Leben und Sterben und sie schwingen in jeder Zeile mit. Das Lied ist ein Bekenntnis zum lebendigen Christus, der da ist, dem wir uns zu jeder Stunde und jeder Gelegenheit anvertrauen können. Der Tag ist nicht mehr fern… das ist es, das ist die Hoffnung, die wir immer wieder zugesagt bekommen müssen. Die Nacht ist dunkel und die Zeit vergeht langsam. Und im Dunkel der Nacht, ohne Uhr, wissen wir nicht, wie lange die Dunkelheit noch dauert. Nur eins ist gewiss: Der neue Tag kommt. Jesus kommt! Er kommt gewiss und es wird Licht.
Halten wir es aus bis der Tag kommt?