Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Ich habe gestern von Erlebnissen bei meiner eigenen Konfirmation vor 48 Jahren geschrieben. Dabei bin ich auf das „Bündel austragen“ eingegangen. Eine Beobachtung möchte ich Ihnen hiermit mitteilen und zum Nachdenken anregen. Unser Dorf war klein und dennoch zweigeteilt. Es gab das Groß-Habelsee und das Klein-Habelsee. In Groß-Habelsee lebten die großen Bauern mit teilweise über 30 ha Landwirtschaft. Das waren für damalige Verhältnisse eben große Bauern. Sie bestimmten mehr oder weniger auch das gesellschaftliche Leben im Dorf. Sie waren im Gemeinderat und im Kirchenvorstand. In Klein-Habelsee waren die Arbeiter zu Hause. Es waren Pendler, die vor allem nach Rothenburg gingen, kleine Handwerksbetriebe und kleine Bauern mit nur ganz wenigen Hektar Eigentum im Nebenerwerb. Beim Austragen der Bündel ist mir damals aufgefallen, dass ich die leckeren Kuchen in die Häuser von Groß-Habelsee mit einem Korb getragen habe, den Kuchen in die Häuser von Klein-Habelsee dagegen in einer festen Papiertüte. Das Leben in den Dörfern kannte Standesunterschiede und das wurde in solchen kleinen Details deutlich. Ich denke, dass dies gar nicht bewusst getan wurde. Erst recht nicht wollten Menschen andere damit kleiner machen. Es war einfach eine bestimmte Tradition, die niemand hinterfragte. Erst vor wenigen Jahren habe ich mit meinen Eltern darüber gesprochen. Sie konnten sich an dieses kleine, aber doch so eindeutige Detail nicht mehr erinnern und haben zu mir gesagt: „Was Du noch so alles von früher weißt“. Deshalb von meiner Seite auch keine Vorwürfe. Ich habe mich daran in unserer Gegenwart erinnert, als ich in der vergangenen Woche in der Zeitung gelesen habe, dass die Fußballer der ersten und zweiten Bundesliga bei den Tests Privilegien erhalten sollen. Alle drei Tage sollen sie getestet werden, während andere lange warten müssen. Eine Hersbruckerin schreibt im Leserbrief am 08.04.2020: „Wer hatte diese Idee? Es gibt zu wenige Coronatests für Ärzte und Krankenhauspersonal. Darum sind vermehrte Tests für Fußballer moralisch völlig unvertretbar. Es wäre für alle Menschen gesünder, auf Fußballer und Fußballspiele zu verzichten, als auf Mediziner und Pflegende“.
Mich erinnert diese Diskussion an eine bestimmte Geschichte aus der Bibel. Johannes und Jakobus waren Söhne von Zebedäus. Sie bzw. ihre Mutter baten Jesus, dass sie im Reich Gottes neben Jesus sitzen können. Aber Jesus lehnt dieses Ansinnen auf besondere Vorrechte ab und verweist darauf, wie es unter seinen Jüngern sein soll: „…sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“ (Matthäus 20, 26 – 28). Und diese Einstellung ist jetzt besonders bitter nötig.