Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Mitten in der Coronakrise ist diese Diskussion aufgeflammt und hat sich am 15.04.2020 nach der Videokonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten verstärkt. „Warum dürfen sich Christen nicht zu Gottesdiensten treffen? Die Argumentation ist: Wenn Menschen in systemrelevante Geschäfte gehen dürfen, dann kann das doch auch für Kirche gelten! Die Ansteckungsgefahr ist bei einem Gottesdienst nicht höher als in bestimmten Geschäften. Die Kirche beugt sich mit ihrer starren Haltung staatlichen Gesetzen, aber sie ist doch nur Gott verantwortlich“.
Manche Christen haben auf die Situation im sog. dritten Reich hingewiesen oder auf die Verfolgungen in kommunistischen Staaten unter sowjetischer Führerschaft. Bis heute werden Christen verfolgt und Nordkorea liegt an erster Stelle im Verfolgungsindex. Haben sich Christen biblisch verhalten, wenn sie sich den staatlichen Vorgaben untergeordnet haben? Seit einer Woche sind jetzt wieder Gottesdienste möglich, aber nur unter strengen Sicherheitsmaßnahmen.
Ich denke an dieser Stelle an die Situation des Volkes Israel vor ungefähr 2.600 Jahren. In dieser Zeit erstarkten die Babylonier und schickten sich an, das gesamte Gebiet im vorderen asiatischen Kontinent zu erobern und zu beherrschen. Sie klopften an die Tür des Landes Juda. Nebukadnezar eroberte Jerusalem zum ersten Mal 597 v. Chr. Judäa wurde eine babylonische Provinz. Viele Menschen aus der Oberschicht wurden nach Babylon deportiert. Jetzt warteten sie auf ein baldiges Ende dieser Gefangenschaft im fremden Land. Sie wollten ein Wort Gottes durch den Propheten Jeremia hören. Vor allem wollten sie ein klares Wort mit einer Vision auf ein baldiges Ende dieser schlimmen Situation. Sie hatten Fragen: Wie sollten sich diese Oberen des Volkes dort verhalten? Sollten sie auf Opposition gehen, passiven Widerstand leisten oder dort mitarbeiten?
Fragen, die sich so manche in der Kirche jetzt auch gestellt haben und die durchaus verschieden beantwortet werden können. Aber Jeremia ist realistisch und seine Botschaft lautet, dass sich die Juden in der Diaspora in Babylon auf eine lange Zeit der Gefangenschaft einstellen sollen. Der Prophet Jeremia schreibt einen Brief, der im Alten Testament nachzulesen ist und für mich ein Impuls für unsere heutige Situation ist: „So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn es ihr wohl geht, so geht es auch euch wohl“ (Jeremia 29, 4 – 7).
Diese Zeilen zeigen mir, dass Christen mitten hineingenommen sind in die Gesellschaft. Und gerade in schwierigen Zeiten sind sie vermutlich herausgefordert, umso mehr mit den Menschen um sie herum zu leben und für sie zu beten, die Verantwortung tragen. In dieser Coronakrise wird mir deutlich, dass ich als Christ hier in Deutschland nicht verfolgt werde, sondern Teil dieser Gesellschaft in Deutschland und in der Welt bin. Deshalb gilt für mich uneingeschränkt, nicht zu meckern und für Gottesdienste einen Sonderstatus zu fordern, sondern der Stadt Bestes zu suchen. Das heißt für mich konkret: Ich will das Beste für das Umfeld, in dem ich lebe und für den Staat, der versucht, mit allen Mitteln aus dieser Coronakrise herauszukommen.