Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Die Bulle des Papstes brennt
Bei meinem Update 258 vom 28.11.2020 habe ich davon geschrieben, wie der römische Gesandte Aleander Bücher von Martin Luther verbrennen hat lassen. Luther hat den Kampf angenommen und schlägt zurück. Am 10. Dezember 1520 und damit genau heute vor 500 Jahren sind in Wittenberg überall Zettel angeschlagen, in denen die studentische Jugend aufgerufen wird, „sich sogleich gegen neun Uhr des Vormittags an der Kirche zum Heiligen Kreuz außerhalb der Mauern unserer Stadt“ einzufinden, „…denn vielleicht ist nun die Zeit gekommen, zu der der Antichrist offenbar gemacht werden muß“.
Überall erscheinen Trupps studentischer Jugend. Ein Scheiterhaufen wird errichtet. Es tritt eine merkwürdige Stille ein. Dann steckt Johann Agricola den Scheiterhaufen in Brand. Eine Tribüne ist errichtet worden. Es werden die sog. Dekretalen ins Feuer geworfen. Sie fassen das gesamte kanonische Recht der Römischen Kirche zusammen. In ihnen wird alles erklärt, was Gläubige in ihrem Leben beachten sollen. Es regelt die Zinsen, die Ehe, das Eigentum, die Lehnsherrschaft. Es enthält Vorschriften über die Sakramente.
Dieses Verbrennen ist ein Akt, dass dieses römische Recht außer Kraft gesetzt werden soll. Es ist ein Angriff auf die Kirche selbst und damit auf den Papst. Dann hebt Luther eigenhändig die Bannandrohungsbulle hoch und wirft diese ins Feuer. Er ruft mit weithin tragender Stimme dazu: „Weil du den Heiligen des Herrn betrübt hast, deshalb betrübe dich das ewige Feuer“. Dann eine kurze Stille. Danach lauter Jubel aus Hunderten von jungen Kehlen. Die Professoren mit Luther an der Spitze gehen durch das Tor zur Stadt zurück. Der weitere Tag geht wie bei einer Volksbelustigung weiter. Man holt sich einen riesigen Bauernwagen, besetzt ihn mit maskierten Studenten und singt Lieder. Auf dem Wagen steht ein Trompeter. Es geht zum Hof des Gymnasiums. Von überall werden Bücher des Papstes und von katholischen Theologen zusammengetragen und in ein riesiges Fass gestopft. Unter großem Geschrei geht es wieder zurück zum Richtplatz vor den Mauern der Stadt. Der Wagenlenker steigt auf die Tribüne und verliest der immer wieder auflachenden und mit Zurufen nicht kargenden Menge Teile der Bulle. Irgendwann geht dieser aufregende Tag zu Ende. Das Feuer aber brennt noch in die Nacht hinein, denn die Studenten haben Bierfässer herangerollt, um den Tag würdig zu beschließen.
Luther jedenfalls hat den Kampf mitten in der Lebenskrise aufgenommen. Er selbst schreibt darüber. „Ich habe des Papstes Bücher und die Bulle verbrannt, zuerst zitternd und betend, aber jetzt freue ich mich darüber mehr als über irgendeinen anderen Tag meines ganzen Lebens“.