Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Sich die Hände – eine Geste geht verloren
Vor mir liegt die Hersbrucker Zeitung vom 24.05.2020 . Ich schaue das sog. „Magazin am Wochenende“ an. auf der ersten Seite sind fast immer interessante Berichte geschrieben. Bei dieser Ausgabe geht es wieder einmal um das Leben in der Coronakrise. Die Überschrift bringt mich zum Nachdenken. „Vom Ende eines Rituals“ lese ich. Dann heißt es weiter: „Der Handschlag ist mehr als eine Begrüßungsformel. Er kann Wichtiges besiegeln, Trost spenden, Vertrauen geben. Und man kann aus dieser Berührung auch mit geschlossenen Augen viel herauslesen. Die Hände verraten etwas über uns und den anderen. Doch jetzt dürfen wir sie einander nicht mehr reichen“.
Soweit die Zeilen. Als Kind hat mich mein Vater am Samstagmorgen oft zum „Ferkelmarkt“ nach Rothenburg mitgenommen. Wenn sich Bauer und Schweinehändler einig waren, dann haben sie sich in die Hände geschlagen. „Abgemacht, so ist es“ hat das bedeutet. Theologisch gesagt haben beide ein „Amen“ gesprochen. Der Handschlag galt wie eine schriftliche Abmachung. Begrüßung mit Handschlag gehörte für mich einfach dazu. Es ist eine Geste der Aufmerksamkeit und der Zuwendung. Menschen wenden sich einander zu und schauen sich (hoffentlich) dann dabei an. Vor einigen Jahren gab es im bayr. Landtag einen Abgeordneten, der u. a. auch Staatssekretär und Minister war. Er hieß Georg Schmidt. Und weil er so oft und so kräftig jedem die Hände gereicht hat, gab es für ihn den Spitznamen „Schüttelschorsch“. Ich habe ihn in meiner Dienstzeit in Alerheim im Dekanat Donauwörth selbst kennengelernt.
Ich habe bei allen meinen drei Pfarrstellen darauf geachtet, dass es diese Geste auch bei der Feier des Hl. Abendmahles gibt. Es sind innerhalb der Liturgie zwei Stellen, bei denen das zum Ausdruck gebracht werden kann. Einmal direkt nach dem liturgischen Friedensgruß. Die Leute wenden sich einander zu, geben sich die Hände und sagen: „Friede sei mit dir“. Nach der Austeilung geben sich die Menschen die Hand und ich spreche ein biblisches Wort. Mir ist aufgefallen, dass sich die einzelnen Kommunikanten vor dem Loslassen der Hände noch einen Händedruck weitergeben.
Die andere Seite ist die, dass dadurch offenbar Bakterien und Viren weitergegeben werden können. In manchen Arztpraxen hängt ein Schild mit den Worten: „Wir geben ihnen nicht die Hände, aber ein Lächeln“. In der letzten Woche hat mir ein Gemeindemitglied erzählt, wie er in solch einer Praxis war. Beim Hinausgehen sagte er zu der Helferin: „Mir fehlt noch etwas“. „Was denn, wir haben alle Arbeiten getan. Sie können wieder gehen?“ „Mir fehlt noch das versprochene Lächeln“ war die Antwort des Patienten.
„Sich die Hände geben“. Es ist im Leben ein Paradox und in der Bibel auch. Wer kennt nicht das bekannte Zitat: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“ aus Ps 91, 11. Wenn Jesus geheilt hat, dann hat er oft die Hände auf jemanden gelegt. Beim Segnen ist das der Ritus für den Segnenden. In Zeiten von Corona kann ich nur mit Maske segnen. Ich hätte da gerne lange Hände von mindestens 1,5 m Sicherheitsabstand. Auf der anderen Seite sind Hände auch ein Symbol für die Macht Gottes. Auch strafend kann sich die Hand Gottes der Bibel nach auf die Menschen herabsenken. Und bei Hiob kommt beides zusammen: „Denn er verletzt und verbindet, er zerschlägt, und seine Hand heilt“ (Hiob 5, 18). Und so bin ich gespannt, ob und wann es wieder möglich sein wird, die segnenden, heilenden, tröstenden Hände als Pfarrer wieder zu gebrauchen ohne Angst vor Übertragung einer schlimmen Krankheit.