Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Die Sorge wie einen Ball wegwerfen
Es war im Mai 1974. Mit dem Kleinbus fahren etliche Schüler der Oskar-von-Miller-Realschule Rothenburg nach Bad Windsheim. Es ist ein mittelfränkisches Fußballturnier von Realschulen angesetzt. Weil der etatmäßige Torwart verletzt war, durfte (musste) ich als Reservetorwart diese Position einnehmen. Ich war gefühlsmäßig von Stolz und Sorge und Angst hin – und hergerissen. Einmal in der Schulmannschaft zu stehen! Was für eine Auszeichnung! Und wenn ich dann Fehler mache? Wenn ich ein Tor verschulde? Der Torwart ist ja in einer „blöden“ Situation. Ein einziger Fehler kann ein Spiel entscheiden. Ein Feldspieler dagegen kann sich viele Fehler erlauben ohne dass ein Gegentor fallen muss.
Und dann ging es auch richtig los. „Wirf mir den Ball zu“. „Nein, wirf ihn mir zu“ „Warum hast du ihn nicht mir gegeben?“. Immer wieder gab es diesen Ruf bei diesem Turnier. Ich war der einzige Spieler, der nicht in einer Jugendmannschaft in einem Verein regelmäßig gespielt hat. Ich hatte aber (habe ich diese immer noch??) relativ gute Reflexe und war mir nicht zu schade, mich auch mal ins Getümmel zu werfen. Als Feldspieler fühlte ich mich viel sicherer. Heute im Alter spiele ich dann lieber im Tor, wenn ich mit Jüngeren spiele, weil meine Schnelligkeit natürlich nachgelassen hat.
Aber ich denke fast jedes Mal an dieses besondere Turnier in meinem Leben, wenn ich eine bestimmte Bibelstelle lese. „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1. Petrusbrief 5, 7). Es ist der Wochenspruch für die kommende Woche. Tatsächlich steht im griechischen Text das Wort „ballein“. Es bedeutet „wegwerfen“ und von ihm ist das deutsche Wort „Ball“ abgeleitet. Mit der Sorge kann ich wie mit einem Ball umgehen. Ich soll diese „wegwerfen“. Vermutlich geht das aber nicht so einfach.
Das Thema „Loslassen“ ist grundsätzlich schwierig (siehe Update 22 vom 06.04.2020). Was einmal in meinem Herzen ist und was mich berührt, hat einen Platz in mir. Es ist schwierig, das dann so loszulassen, dass es mich nicht mehr beeinflusst. Mir hilft es, wenn ich das Umfeld (den sog. Kontext) des Bibelverses anschaue. Vorher in V. 6 heißt es: „So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit“. Im nachfolgenden Vers 8 lese ich: „Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge“. Beide Verse zeigen auf, dass die Sorge im Zusammenhang von sichtbarer und unsichtbarer Welt gesehen werden muss. Über das, was vor Augen zu sehen ist, kann die Sorge mein Denken und Handeln in dieser Welt beherrschen und ich bin unfähig zum Handeln und zum Leben in Beziehungen. Die Sorge umkreist mich und lähmt mich.
Das Bild des brüllenden Löwen erinnert mich daran, dass dieses Tier einen Laut ausstoßen kann mit ca. 140 Dezibel. Er ist damit kilometerweit zu hören. So kann es mit der Sorge auch sein. Sie nimmt mich so gefangen, dass ich die Freiheit der Kinder Gottes nicht mehr leben kann. Da gibt der Apostel einen Zielpunkt vor. Dieser heißt: Schau darauf, dass Gottes Hand größer und gewaltiger ist als alle Mächte der Finsternis. Der Journalist Peter Hahne hat einmal gesagt: „Mitten in der Sorge des Alltags darf ich in der Fürsorge Gottes leben“.