Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
„Gerhard. Du lernst jetzt die Orgel spielen“ – gesagt, getan
Heute feiern Christen das Erntedankfest. Sie danken Gott dafür, dass er ihnen genug zum Leben schenkt und Menschen satt werden können. Kaum ein anderes biblisches Wort bringt das besser zum Ausdruck als Worte aus dem Psalm 145. „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen“. Manche beten diese Worte als Tischgebet.
Als Pfarrer könnte ich viele Geschichten vom Erntedankfest schreiben, die ich selbst persönlich erlebt habe. Ich will mich aber auf ein Erntedankfest konzentrieren, das mein eigenes Leben nachhaltig bis zum heutigen Tag beeinflusst hat. Es war das Erntedankfest 1969, der 05.10. Wie immer war ich mit Mitgliedern meiner Familie im Gottesdienst. In der Pfarrei Mörlbach-Habelsee wurde der sonntägliche Gottesdienst abgewechselt. In jenem Jahr war der Erntedankfestgottesdienst in Mörlbach. Der Pfarrer ging in seiner Predigt auf verschiedene Situationen ein, bei dem Menschen sich gegenüber Gott dankbar zeigen können. Dabei spielte inhaltlich die Ernte eine große Rolle. Kein Wunder! Beide Dörfer waren landwirtschaftlich geprägt und es gab nur wenige Arbeiter, die nach Rothenburg o/T oder nach Uffenheim pendelten. Dazu noch ein paar Handwerker, die oft selbst noch eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben. Aber die Landwirte im Haupterwerb waren in der Überzahl.
In der Predigt ging der Pfarrer darauf ein, dass die Menschen in den beiden Kirchengemeinden auch für die Kirchenmusik dankbar sein sollten. In Mörlbach gab es einen Posaunenchor und in beiden Gemeinden Organisten vom Dorf. Jeder wusste aber, dass der Organist aus Habelsee das Dorf aus Studiengründen bald verlassen würde. Der Pfarrer meinte, es „müsste unbedingt ein neuer Organist gefunden werden“. Dabei betonte er, dass auch dies mit „Dankbarkeit gegenüber Gott“ zu tun hat, wenn wieder ein Gemeindemitglied sich für die Ausbildung bereit erklären würde. Die Predigt war zu Ende, noch ein paar Liedverse, Gebet und schließlich der Segen. Nicht ahnend auf die Dinge, die da kurz darauf kommen sollten, verließ ich mit meinen 11 Jahren die Kirche. Draußen am Auto wartete meine Familie und mein Vater meinte: „Gerhard, Du lernst jetzt das Orgel spielen“. Das war eine klare Ansage, ein Widerspruch wurde nicht geduldet. Ich war gerade drei Wochen nach Rothenburg in die Realschule gegangen.
Und so begann ich im Herbst die Ausbildung zum Organisten beim Dekanatskantor Hans-Helmut Hahn. Ein Jahr lang habe ich Klavier gelernt. Dann der Umstieg auf die Orgel. 1972 saß ich bei einem Predigtgottesdienst (die sog. Christenlehre) zum ersten Mal bei einem Gemeindegesang an der Orgel. Es dauerte noch einmal zwei Jahre bis ich 1974 mit 16 Jahren bei einem sonntäglichen Hauptgottesdienst an der Orgel die Choräle begleitet habe.
Heute spiele ich nur noch selten an der Orgel. Das ist der Fall, wenn ein Organist bei einem Gottesdienst fehlt. Ausgerechnet heute, genau 51 Jahre nach diesem denkwürdigem Ereignis ist das der Fall. Manchmal nehme ich auch „nur“ das E-Piano. Aber natürlich nicht heute an diesem Festtag. Da gehe ich die zwei Emporen zur Orgel hoch und zur Predigt und zur Abendmahlsliturgie wieder hinunter. Wie gut, dass ich „gut zu Fuß bin“. In der Regel war und bin ich ziemlich aufgeregt vor den ersten Noten.
Aber grundsätzlich bin ich dankbar, dieses Instrument gelernt zu haben und insgesamt sieben Jahre von 1974 – 1981 in verschiedenen Kirchen des Dekanates Rothenburg gespielt zu haben. Außerdem hatte ich dadurch besondere Erlebnisse. Aber davon mehr vor allem am 01.01.2021. Und der allererste von mir gespielte Choral drückt für mich eine wichtige Glaubenshaltung aus. „Singt, singt dem Herren neue Lieder, er ist`s allein, der Wunder tut. Seht, seine Rechte sieget wieder, sein heilger Arm gibt Kraft und Mut. Wo sind nun alle unsre Leiden? Der Herr schafft Ruh und Sicherheit; er selber offenbart den Heiden sein Recht und seine Herrlichkeit“ (Evang. Gesangbuch, Nr. 286, V. 1).