Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 136 vom 29.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Mehr als nur eine Kirche oder eine Moschee

Nein! Ich wollte dazu auf keinen Fall etwas schreiben obwohl es naheliegend ist. Aber manchmal ist totschweigen die einzige vernünftige Reaktion. Und ein „Nicht-Erwähnen“ ist schlimmer als eine Diskussion zum Gegenstand. Denken Sie nur an die Politiker, wenn sie in den Faschingsreden erwähnt bzw. nicht erwähnt werden. Das Letztere ist schlimmer als der beißende Spott. Und ich habe lange gewartet. Aber dann sind meine Gefühle doch mit mir durchgegangen und ich habe dazu noch einen Brief per Mail erhalten.

Ich fahre am vergangenen Freitag, den 24.07.2020 gegen 15.40 Uhr mit meinem Auto auf der B 14 von Happurg in Richtung Altensittenbach. Dann kommt an diesem Tag zum wiederholten Mal eine ganz bestimmte Meldung. Und diesmal kommen auch ein paar Statements von Betroffenen bzw. von begeisterten Befürwortern. Kann ich alles nachempfinden! Würde mir wohl auch so gehen. Aber die Aussage einer 60-jährigen Frau hat mich dann doch fast zum Heulen gebracht und in Wut versetzt. „Heute ist die zweite Eroberung von Istanbul. Und so Gott will, werden wir auch nach Jerusalem ziehen. Das ist unser Ziel“. Das war ihr Kommentar zur Wiedereröffnung der Hagia Sophia zur Moschee.

Am 27.12.537 n. Chr. wurde sie als die damals größte Kirche der Welt eröffnet. Nach einem 5-jährigen Bau stand sie als Römische Reichskirche wie ein Fels in der Brandung im damaligen Konstantinopel. Es war die wohl bekannteste „Sophienkirche“ der Welt. In ihr ist 1053 n. Chr. der Bruch der katholischen Kirche in die Ostkirche und in die Römisch-Katholische Kirche vollzogen worden. Sie war die Hauptkirche des byzantinischen Reiches und Mittelpunkt der sog. Orthodoxie. Im Mittelalter gilt sie sprichwörtlich als „Nabel der Welt“. Sie war Krönungskirche der byzantinischen Kaiser und Kathedrale des Patriarchats von Konstantinopel.

Aber leider ist mir ihr auch eine Schreckenszeit verbunden. Denn in die Zeit ab 1100 n. Chr. fallen die sog. „Kreuzzüge“. Christen hier in Europa wollten vor allem Jerusalem von den Osmanen befreien. Diese Absicht konnte nicht gutgehen. Schon ganz am Anfang beim ersten Kreuzzug, ausgerufen von Papst Urban II. wurden am Beginn schon hier in Deutschland viele Juden umgebracht. Alles was nicht irgendwie mit dem Christentum vereinbar war, wurde unter einem Kamm geschert. Abgesehen von der Frage, ob Gewalt Probleme löst, war hier schon der entscheidende Fehler. „Ich will segnen, die dich segnen“. Dieses Wort Gottes an Abraham aus 1. Mose 12, 2 wurde völlig überlesen.

In den ganzen Auseinandersetzungen kommt es schließlich zur Entscheidungsschlacht um Konstantinopel im Jahr 1453. Die Christen versammelten sich in ihrer Kirche. Die Soldaten brachen die Türen auf und alle Christen wurden hingemetzelt. Es war die Rache für die Eroberung Jerusalems im Jahr 1099. Damals wurde Jerusalem vom 07.06. – 15.07.1099 belagert und schließlich von den Kreuzrittern eingenommen. 3000 Einwohner der Stadt wurden umgebracht ohne Unterschied, ob es Muslime oder Juden waren. Es wurde ein Massaker angerichtet.

Und die Muslimen übten deshalb auch am 29.05.1453 diese grausame Rache an den Christen. Deshalb ist die Hagia Sophia mehr als nur ein Gotteshaus. Es ist ein Siegeszeichen. Und Erdogan weiß das ganz genau und versucht so, von seinen innenpolitischen Schwächen abzulenken. Mit Religion lässt sich es trefflich manipulieren und fanatisieren.

Deshalb ist es wichtig, dass der Glaube an Jesus mehr ist als Religion. Es geht um Beziehung zu Christus und dass Menschen ihn kennenlernen und seine Gegenwart erfahren. Dennoch sitze ich traurig jetzt am Bildschirm und denke an die wenigen Christen in der Türkei und ärgere mich, dass solch ein Autokrat in Europa regieren kann und die Welt schaut zu. Und damit Sie noch mehr über die Stimmungslage der orthodoxen Christen mitspüren können, gibt es morgen eine Stellungnahme des ersten Vorsitzenden der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen), Erzpriester Radu Constantin Miron. Denn es ist immer gut, solch eine Stimme zu hören.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert