Wenn Corona will, steht (noch mehr) still, Update 232 vom 02.11.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Rieser Bußtag

Ich will unbedingt schreiben, was der 1.11. im Ries für ein besonderer Tag ist. Es ist der sog. „Rieser Bußtag“. Das kommt daher, dass dieser Tag vor Einführung des Buß- und Bettages als Feiertag gefeiert worden ist. Offenbar ist er schon eingeführt worden für die Bevölkerung des Grafen von Oettingen-Oettingen nach der für die Evangelischen verlorenen Nördlinger Schlacht im Jahr 1634 während des 30-jährigen Krieges. Es sollte ein lokaler Bußtag für die Bevölkerung sein und zu einer Hinwendung zu Gott führen. Mehr etwas mehr darüber wissen will, der empfehle ich mein Update 141 vom 03.08.2020.

Dieser Rieser Bußtag wird dort in der Region ganz groß begangen. Weil es am Nachmittag einen Kirchhofgang gibt, ersetzt er den sonst üblichen „Totensonntag“ am Ende des Kirchenjahres. An diesem 1.11. wurde in Alerheim auch den Verstorbenen gedacht und die Angehörigen waren zum Gottesdienst eingeladen.

Am 1.11.1988 hatte ich ein besonderes Erlebnis. Am Nachmittag spielte der Posaunenchor auf dem Friedhof und ich beobachtete die Menschen an den Gräbern. Weil ich erst vier Wochen da war, kannte ich noch kaum die Lebensumstände mancher Familien. Ich sah ein älteres Ehepaar am Grab stehen. Sie hatten verweinte Augen und standen gebückt. Ich ging nach einer Weile zu ihnen hin und fragte nach den Umständen. Sie zeigten auf das Grab. Dort stand der Name ihrer Tochter. Mit 18 Jahren war sie verstorben. Es gab eine Wettfahrt von zwei Männern. Beide hatten ein gemeinsames Ziel, aber nahmen verschiedene Strecken. Die eine war länger und ging über Bundesstraßen. Die andere Strecke war wesentlich kürzer, aber es ging über gefährlichere Kreisstraßen. Die Tochter des Ehepaares saß im Auto des Freundes, der den Weg durch die Dörfer nahm. An einer gefährlichen Stelle war der Fahrer zu schnell. Das Auto überschlug sich und die Freundin wurde getötet. Der Fahrer hat seinen Fehler nie überwunden und kämpfte mit sich. Er wurde alkoholabhängig und starb 1993 noch relativ jung. Ich habe ihn beerdigt und noch heute stehen mir Tränen in den Augen an die Erzählung des Ehepaares über ihre durch ein leichtsinnig verursachtes Unglück, das nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Auch solche Lebenskrisen gehören zu mir mitten in dieser Coronakrise. 

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