Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Reise rieselt der Schnee – auf dem Tempelberg
„Herr Pfarrer, was sollen wir da anziehen? Wie warm oder kalt ist es da um diese Zeit?“ Das war einer der Hauptfragen Ende 1991 beim Vorbereitungstreffen für die geplante Israelreise in Verantwortung der Kirchengemeinde Alerheim im Dekanat Donauwörth, bei der ich zu dieser Zeit Pfarrer war. Etwas naiv antwortete ich: „Da ist es zu dieser Zeit schon warm. Ich war 1978 Anfang März dort und wir hatten tagsüber schon Temperaturen über 30 Grad“. Ich muss hinzufügen, dass es abends damals dennoch ziemlich kalt war mit Temperaturen von ungefähr 5 Grad. Wir übernachteten in der Jugendherberge. Dort gab es keine Heizung. Aber wir Studenten hatten Decken und die wärmten uns genügend.
Bei den Mitfahrer/-innen im Ries 1992 handelte es sich fast nur um erwachsene Personen und wir sollten in erstklassigen Hotels untergebracht werden. Was sollte also bei meiner Bemerkung falsch sein?!! Ich selbst hatte nur einen Pullover dabei und eine dünne Jacke, sonst nur T-Shirts und Hemden. Kurz vor dem Start Ende Februar meldete der Wetterbericht für Israel Winterwetter an. Es könnte sogar ein wenig schneien. Auch das hat mich nicht beunruhigt. Ein wenig Schnee auf den Golan-Höhen und vielleicht noch ein wenig im gebirgigen Teil von Israel. Kein Problem. Wir bleiben unten am See Genezareth und fahren dann nach Jerusalem. Gut, Jerusalem liegt ungefähr 800 m über den Meeresspiegel. Aber ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Bild von Jerusalem mit Schnee gesehen.
Ich flog also völlig entspannt mit fast 50 weiteren Personen von München nach Tel Aviv. Wir steigen aus und es ist relativ kühl. Immer noch war ich voller Optimismus. Wir fahren in unser Hotel am See Genezareth. Abends hören wir die Nachrichten und sehen Bilder von den Golan-Höhen, von der libanesischen Grenze und von Jerusalem. Wir sehen Schnee über Schnee!! Wir lachen noch ein wenig darüber. „Ach, der ist morgen weg“ – habe ich noch gesagt um die Mitfahrer/-innen zu beruhigen. Es hat alles nichts geholfen. Das Wetter hat sich nicht nach meinen Wünschen gerichtet. Wir fahren an die libanesische Grenze. Israel hatte eine Sperrzone eingerichtet um Angriffe aus Libanon abzufangen. Wir stehen am Zaun und es hat einen Meter Schnee. Einige Frauen hatten Röcke an und Stöckelschuhe getragen. Sie haben gefroren. „Herr Pfarrer, warum haben sie uns nichts gesagt, dass so viel Schnee hier liegen kann?“ „Weil ich das selbst nicht wusste“ – war meine Antwort.
In diesem Frühjahr 1992 hatte es nach 80 Jahren zum ersten Mal wieder richtig in Palästina geschneit. Da kam ich – Gott sei Dank – auf eine gute Idee und meinte: „In Israel auf Pilgertour zu sein bei Sonne und Trockenheit. Das kann jeder. Aber eine Pilgertour in Israel bei Schnee – das erleben nur ganz wenige Leute. Sie können ihr Leben lang davon erzählen, dass ausgerechnet sie in dem Jahr in Israel waren, wo es dort geschneit hat“. Tatsächlich: Die Mitfahrer/-innen waren zufrieden und hocherfreut über diese Sichtweise. Irgendwie musste ich ja eine Erklärung (Ausrede!!) finden!!
Später bei verschiedenen Vorträgen wurde dieser Satz von mir sehr oft betont. Ich war dennoch in diesen Tagen in Israel angespannt, ob meine Aussage die Stimmung hoch halten würde. Sie konnte es. Warum ich das heute erzähle? Am 19.02.2021 kam die Information in den Nachrichten: „Es schneit in Jerusalem“. Auf dem Tempelberg gibt es freudige Schneeballschlachten. Das ist mir doch viel lieber als dass mit Gewehren aufeinander geschossen wird. Und das muss ich beim Betrachten des Bildes schon mal feststellen: Der Schnee im Februar 1992 auf dem Tempelberg war sehr viel mehr als in diesem Jahr 2021. So ist unsere Fahrt auf den Tag genau vor 29 Jahren schon einmalig geblieben.