Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Stern, auf den ich schaue
Manche Lieder haben eine unheilvolle Geschichte und können gar nichts dafür. Hitler hat das schöne Lied „Großer Gott, wir loben dich“ missbraucht und bei den Parteitagen in Nürnberg singen und spielen lassen. Viele Christen sind auf diese Inszenierung hereingefallen und haben Hitler verehrt in naiver Unkenntnis der Situation. Auf manchen Altären stand sein Bild. Ich habe Menschen kennengelernt, die sich beim Singen dieses Liedes abgewandt und/oder mit mir eine Diskussion geführt haben, ob dieses „furchtbare Lied unbedingt gesungen werden muss“. Im neuen evangelischen Gesangbuch von 1994 steht es wieder unter der Nr. 331. Ich bin darüber froh, auch wenn ich die Seite der Gegner durchaus respektiere und verstehen kann.
Ähnlich verhält es sich mit dem Lied „Stern, auf den ich schaue“. Zunächst einmal taugt es für eine humorvolle Geschichte. Frage: „Welches Lied ist das Lieblingslied eines Mercedesfahrers? Klar: „Stern, auf den ich schaue“. Nicht ganz so witzig ist es dann, wenn ich über die nachfolgenden Zeilen spreche. „Stern, auf den ich schaue, Fels, auf dem ich steh, Führer, dem ich traue, Stab, an dem ich geh“. In Deutschland hat dieser Begriff des „Führers“ zu Recht einen negativen Klang. Das erinnert zu sehr an die unselige Zeit von vor 90 Jahren. Dabei ist dieses Leid allein auf Gott gemünzt und der Liederdichter bringt zum Ausdruck, dass er sich auf die Führung Gottes in seinem Leben absolut verlassen kann.
Adolf Krummacher hat das Lied 1857 verfasst. Er hat unter dem Titel „Harfenklänge“ eine Sammlung von Gedichten herausgebracht und an erster Stelle steht dieses sehr bekannte Lied, das u.a. auch im Gesangbuch der Mennoniten verzeichnet ist. Vermutlich wäre es nicht so populär, wäre die Melodie nicht von Minna Koch 1897 geschrieben worden. Sie war mit Adolf Krummacher verwandt (seine Tochter hat den Bruder von Minna Koch geheiratet). Angeblich hat sie den Text gehört, ging an sein Klavier und hat spontan die Melodie geschrieben. Als das Lied 1897 an die Öffentlichkeit kam, war die Komponistin schon sieben Jahre erblindet. Ohne die schlimme deutsche Wirkungsgeschichte drückt das Lied für mich eine ganz innige Beziehung zu Gott aus. Die Melodie unterstreicht das in beeindruckende Art und Weise. Ich habe mich sehr gefreut, dass es im neuen Gesangbuch unter der Nr. 407 (deshalb heute diese Zeilen) wieder aufgenommen worden ist.
Stern, auf den ich schaue, Fels, auf dem ich steh. Führer, dem ich traue, Stab, an dem ich geh. Brot, von dem ich leben, Quell an dem ich ruh. Ziel, das ich erstrebe, alles, Herr, bist du.
Ohne dich, wo käme, Kraft und Mut mir her? Ohne dich, wer nähme meine Bürde, wer? Ohne dich, zerstieben würden mir im Nu Glauben, Hoffen, Lieben, alles, Herr, bist du.
Drum so will ich wallen meinen Pfad dahin, bis die Glocken schallen und daheim ich bin. Dann mit neuem Klingen jauchz ich froh dir zu: nichts hab ich zu bringen alles, Herr, bist du!