Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 185 vom 15.09.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Pfr. Dr. Christian Weitnauer

Verständnis und Toleranz sind gefragt

Liebe Leserin, lieber Leser! am 9. November 1989 antwortete Günter Schabowski vom SED-Politbüro auf die Frage, wann die neuen Ausreisebedingungen aus der DDR in Kraft träten: „…sofort, unverzüglich“. Das war so nicht geplant, aber es wurde tatsächlich wahr! Wie schön und erhebend, als Berlinerinnen und Berliner in der gleichen Nacht auf einmal ungehindert die Mauer passieren durften!

Wäre das schön, wenn ein neuer Schabowski auf die Frage: „Ab wann ist die Corona-Pandemie vorbei?“ antworten könnte: „Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich.“ Die Ungeduld wächst. Zurück zum normalen Leben wollen wir. Ist doch alles gar nicht so schlimm. Das merken auch die Regierenden. Und der Druck auf die Polizei, doch eher wegzuschauen, wächst. Auf der anderen Seite Leute wie ich, die sich vom Alter und den Vorerkrankungen her als Risikopersonen betrachten. Und Nachrichten wie „Tönnies“ und „Göttingen“. Corona ist keine abgewirtschaftete DDR und deshalb nicht geeignet für neue „Schabowski-Effekte“. Corona ist eine Pest.


Und Corona diskriminiert. Corona zerreißt die Menschheit. Manche leben in gut regierten Ländern, andere in schlecht regierten, mit vielen Abstufungen dazwischen. Manche sind arm oder „bildungsfern“, manche haben die „Corona-Warn-App“ beinahe vom Beginn an auf ihrem brandneuen Smartphone und andere wissen nicht, was ein Smartphone ist. Und – und das erschüttert mich – wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein Mitmensch Bruder und Schwester, Nachbar, Freund, Kollege, Kumpel und sonstwas sein kann, aber auch eine Virensprüherin. Ein Gesundheitsrisiko. Oder ein ungemein verletzliches Wesen, das beinahe geschützt werden muss wie Luther auf der Wartburg.

Ich glaube, es ist jetzt viel Verständnis und Toleranz gefragt, Verständnis der älteren Risiko-Menschen für die vor Energie und Sehnsucht nach Gemeinschaftserlebnis berstenden Jüngeren und Verständnis der Jüngeren für die um ihre Gesundheit besorgten Älteren, die Omas und Opas – und es gibt auch Risiko-Menschen, die unter 60 sind! Es ist immer noch Blick in den armen Süden unserer Erde und Mitleid gefragt mit denen, die in einem Lockdown dort gar nicht überleben könnten, weil sie jeden Tag auf dem Markt einkaufen müssen. Und es ist Geduld gefragt, denn weiterhin gibt es keine spezifische Behandlung gegen COVID-19 und auch noch keine Impfung. Masken gibt es, Abstandsregeln und hygienisches Verhalten.

Vielleicht gehen wir aus der Corona-Krise heraus mit einem neuen Faible für Mund-Nasen-Masken. Vielleicht werden sie so etwas wie ein fesches Accessoire, mit Deko, Text, Smilies oder ähnlichem. Es wäre ein mitmensch- liches, menschenfreundliches, insofern christliches Symbol: „Jesus liebt dich – und ich auch, deshalb behalte ich meine Viren, Bakterien und ähnliche hässliche Tierchen für mich. Das ist gut für uns beide, nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Schnupfen und Grippe.“

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