Wenn Corona will, steht (noch mehr) still, Update 262 vom 02.12.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit von Pfr. Gerhard Metzger

So Gott will und wir leben

Dieser 02.12.1990 war für mich der eindrücklichste erste Advent in meinem Leben und heute vor genau 30 Jahre geschah es. Ich komme aus Rudelstetten und fahre nach dem ersten Gottesdienst nach Alerheim. An diesem Tag wird das Hl. Abendmahl gefeiert und ich bin da immer ein wenig spät dran gewesen. Ich gehe in die Sakristei, in der die Mesnerin schon auf mich gewartet hat. Ich ziehe meinen Talar an. Es gibt letzte Absprachen, ein Gebet und dann gehe ich in den Innenraum der Stephanuskirche. Ich grüße die Bläserinnen und Bläser des Posaunenchores. Die Glocken läuten noch. Ich setze mich an meinen Platz.

Plötzlich ein Rumpeln und ein Aufschrei. Unter der Empore ist ein 80-jähriger Mann zusammengebrochen, der erst vier Tage vorher seinen runden Geburtstag gefeiert hatte. Natürlich gibt es Unruhe in der Kirche. Einige Gottesdienstbesucher und auch ich gehen zu ihm hin. Er rührt sich nicht mehr. Wir befürchten das Schlimmste. Ich lasse die Glocken weiterläuten. Vier Männer tragen den Mann in das Pfarrhaus. Was sollen wir jetzt machen? „Wir feiern jetzt dennoch den Beginn des Kirchenjahres mit dem Gottesdienst“ – waren meine Gedanken. Der Posaunenchor beginnt mit seinem Vorspiel. Ein Gottesdienstbesucher macht sich auf den Weg zur Frau des Verunglückten.

Meine Gedanken gehen zu ihr und ich denke an ihre Worte ein paar Tage vorher. „Herr Pfarrer, den runden Geburtstag feiern wir ganz klein. Aber im Januar haben wir unsere Goldene Hochzeit. Das wird ein großes Fest und Sie sind mit ihrer Familie dazu auch eingeladen“. Dann höre ich die Klänge des Posaunenchores. Mir fällt auf, dass das Liedstück ziemlich traurig klingt und nicht fröhlich, wie dem Anlass des ersten Advents angemessen. Ich denke mir noch: „Die haben jetzt wohl spontan ein anderes Musikstück ohne Üben ausgesucht“ (Mein Gedanken haben sich später als richtig erwiesen).

Beim Introitus, mitten in der Liturgie, hören wir alle das Martinshorn. Ich schrecke auf und denke: Was wird sein? Nach dem Gottesdienst hat sich leider die traurige Befürchtung bewahrheitet. Der Mann hatte einen Herzinfarkt und war auf der Stelle tot. In der Zeitungsanzeige stand: „Er ist unter dem Glockengeläut der Stephanuskirche von Gott heimgerufen worden“.

Es war für mich eine sehr dramatische und einprägsame Erfahrung. Wie oft hat die Frau des Verstorbenen danach zu mir diese Worte gesagt: Gott kann die Planungen plötzlich über den Haufen werfen. Und für mich ist dieser sog. „Jakobinischer Vorbehalt“: „So Gott will und wir leben“ noch eindringlicher geworden. Er wird so genannt, weil er im Buch des Jakobus im Neuen Testament steht: „Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen sollt ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun“ (Jakobus 4, 14 – 15).

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