Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 72 vom 26.05.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen zeit von Pfr. Gerhard Metzger

Das Nachbardorf von meinem Heimatort Habelsee heißt Ohrenbach. Wie das so zwischen Dörfern ist: Es herrschte ein (gesunder?) Konkurrenzkampf zwischen Ohrenbach und Habelsee. Und das, obwohl Ohrenbach mehr als 3-mal so groß war. Etwas abfällig haben wir deshalb zu unserem Nachbardorf „Löffelhausen“ gesagt. Aber wir wollten unbedingt mindestens auch so gut sein in verschiedenen Dingen. Ich erinnere mich an ein Fußballspiel. Ich war damals 16 Jahre alt und stand im Tor. Wie stolz war ich, dass wir 2 : 1 gewonnen haben und ich ein Teil der Siegermannschaft war. Aber eines hatte dieses Dorf uns voraus. Es gab dort offenbar einen größeren Zusammenhalt. Das hat sich etwa in den verschiedenen Vereinen gezeigt.

Unter anderem gab es dort die sog. „Schwarze Schar“. Sie wurde 1974 gegründet und erinnert an den sog. Bauernkrieg während der Reformationszeit. Durch den Ruf von Martin Luther nach politischer und religiöser Freiheit erwachte bei vielen Bauern die Idee, endlich aus Leibeigenschaft und Knechtschaft von den Adligen herauszukommen. Unter anderem bildete sich unter Führung von Florian Geyer der sog. „Schwarze Haufen“. Die Zwölf Artikel wurden 1525 in Memmingen verfasst und waren so etwas wie die erste Menschenrechtserklärung in Europa. Überall bildeten sich regionale Ortsgruppen wie eben die „Schwarze Schar“ von Ohrenbach.

Wie sollte sich Martin Luther zu dieser Bewegung verhalten? Er war vorsichtig und zurückhaltend. Er hatte Angst um die Sache der Reformation. Er wollte keinen Konflikt mit den Fürsten des Landes. Anders dagegen Thomas Müntzer, der ursprünglich auch ein Anhänger von Luther war, sich aber eindeutig auf die Seite der Bauern stellte. Luther schrieb die Schrift „Wider die mordischen und reuberischen Rotten der Bauern“ und erkannte die bevorstehende Niederlage der Bauern. Müntzer dagegen kämpfte aktiv an vorderster Front. Am 27.05.1525 und damit genau heute vor 495 Jahren wurde er in Mühlhausen hingerichtet.

Luther hat die Grausamkeit der Rache der Adligen verurteilt. Aber in Erinnerung bleiben seine Ablehnung der Bauernforderungen und sein „taktierendes“ Verhalten. Hätte er anders gehandelt, wäre die Sache der Reformation vielleicht zu Ende gewesen. So aber hat Luther 1525 viele Anhänger unter dem einfachen Volk verloren und er wurde von den Adligen mehr und mehr abhängig zumal sein Förderer Friedrich der Weise kurz vorher verstorben ist (05.05.1525). „Der Luther hat auch nicht zu uns Bauern gehalten“. Solche Worte höre ich auch heute noch als Beauftragter für Landwirtschaft in den Gesprächen mit Menschen.

Was ist jetzt richtig? Welche Handlungen und Taten sind konkret umzusetzen? Wie viel politisches Taktieren ist nötig und möglich? Auf dieser Welt ist das die Kernfrage bei allen politischen und geistlichen Entscheidungen. Ich erlebe das jetzt auch wieder. Wie sollen Politiker jetzt mit China umgehen, die offenbar das Coronavirus zuerst verschleiert haben um nicht vor anderen bloßgestellt zu werden. Wie viel Wahrheit ist nötig? Wie können Politiker so ins Gespräch kommen, dass auch wirklich etwas erreicht wird? Fragen über Fragen!! Ein Freund hat neulich zu mir gesagt: „Bin ich froh, dass ich in dieser Zeit keine Entscheidungen treffen muss“. Wie hat Jesus im Matthäusevangelium gesagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“ (Matthäus 7, 12a).

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