Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Das war der Skandal des Jahres. Und es ging natürlich um eine Trauung. Kennen Sie den Spruch: „Wer gelobt werden will, der muss sterben. Wer verspottet werden will, der muss heiraten“. Bei uns in der Rothenburger Region war es Brauch, dass in der Nacht vor einer Trauung Kreidespuren gelegt worden sind. Vom Haus der Braut aus gingen die Kreidespuren zu den Häusern der verschiedenen Männern, die angeblich oder wirklich auch einmal mit der Braut irgendwann vorher „rumgeschmust“ haben. Natürlich wurde es da mit der Wahrheit nicht immer so genau genommen. Und es wurden eher mehr Kreidespuren als zu wenig gelegt. Nur weil jemand mal ein paar Mal mehr mit einem Mädchen getanzt hat war das schon ein Grund für diese Kreidespur. Aber spannend war das schon. Am Hochzeitsmorgen wurden die Kreidespuren in der Regel schon genau betrachtet. Schließlich soll ja eine Trauung ein Grund zum Lachen und zur Freude sein.
Nicht sehr viel anders war es auch bei Martin Luther. Kreidespuren wurden an seiner Trauung nicht gezeichnet. Aber skandalträchtig war das schon. Ein ehemaliger Mönch mit einem Mönchsgelübde heiratet eine ehemalige Nonne mit einem entsprechen Gelübde. Wichtig war für die Zeitgenossen natürlich der Blick auf das „Keuschheitsgelübde“, das mit der Hochzeit „obsolet“ war, wie das heutzutage bezeichnet wird. Und moralische Begrifflichkeiten wurden damals natürlich noch höher bewertet als heute. In meinem Update Nr. 15 vom 30.03.2020 bin ich darauf schon ein wenig eingegangen.
Katharina von Bora lebte nach ihrer Flucht an Ostern 1523 in Wittenberg bei Lucas Cranach. Als einzige der geflohenen Nonnen aus dem Kloster Nimbschen hat sie keinen „geeigneten“ Mann gefunden. Und dann erlebt sie, was heutzutage einem „Rosamunde Pilcher-Film“ alle Ehre machen würde. Sie verliebte sich ausgerechnet in den Studenten Hieronymus Baumgartner aus Nürnberg. Vor den Semesterferien 1524 schenkte er ihr einen Ring mit einer heißen Liebesbekundung und einem Hochzeitsantrag. Aber wie das so ist ohne Kontakt mit Handy o.ä. hörte sie nichts mehr von ihm. Sie wartete auf Post. Diese kam nicht. Im Dezember 1524 kam ein Mann aus Nürnberg und erstattete bei Lucas Cranach Bericht über Vorgänge in dieser Stadt. Schließlich wusste man damals schon, dass die Verantwortlichen von Nürnberg mit dem reformatorischen Glauben liebäugeln, was sich dann auch ein Jahr später bewahrheiten sollte. Irgendwann im Gespräch kommt die Sprache auf Hieronymus. Aber: er hatte sich mit einer anderen Frau in Nürnberg verlobt. Damit waren die Ungewissheit und vermutlich auch eine „Vorahnung“ endlich zur Gewissheit geworden. Die Eltern von ihm hatten einer Hochzeit mit Katharina nicht zugestimmt. Die ersehnte Liebe von Katharina wird unerfüllt bleiben.
Die Verantwortlichen von Wittenberg waren deshalb der Meinung, dass sie endlich heiraten sollte. Der Auserwählte war Kaspar Glatz. Aber Katharina wehrte sich dagegen. Sie wollte keine Kuppelei. Der Freund von Luther, Nikolaus von Amsdorf, sollte noch einmal ein „ernstes“ Gespräch mit ihr führen. Bei diesem Versuch soll sie gesagt haben: „Den Kaspar Glatz heirate ich nicht, da heirate ich eher den Luther“. Gesagt, getan. Nikolaus überbringt diese Worte und nicht sehr viel später heiraten die beiden am 13.06.1525. Das war insofern auch spannend, weil das mitten auf dem Höhepunkt des Bauernkrieges war. Aber Luther wollte das ganz bewusst so machen.
Katharina v. Bora zieht in das Haus von Martin Luther ein, dem sog. Schwarzen Kloster und bringt den Haushalt auf Vordermann. Er war vorher „nur“ von einem Bediensteten geführt worden und entsprechend hat es wohl auch dort ausgesehen und „gerochen“, wie ein Chronist vermerkt. Genau zwei Wochen später am 27.06.1525 und damit genau heute vor 495 Jahren kommt es zur kirchlichen Trauung.
Katharina war Luther eine große Hilfe und er freute sich auf das Beisammensein mit ihr. Manchmal nennt er Katharina wegen ihrer entschlossenen Art auch „Herr Käthe“. Entgegen aller Gepflogenheiten hat Luther an die Zeit nach seinem Tod gedacht, ihr in Zöllsdorf einen Witwensitz gekauft und ihr als Erbe vermacht. Auch das war Martin Luther: Ein sehr fürsorgender Ehemann, der wusste, was er an seiner Käthe hatte. Diese Geschehnisse sind für mich ein Zeichen, wie Gott aus einer Krise heraus Gutes entstehen lassen kann.