Predigt zum Gemeindefest
Matth. 9, 9 – 13
Prediger: Gerhard Metzger, Pfarrer
Altensittenbach, 13.07.2014
Liebe Gemeinde,
die Älteren unter uns kennen vermutlich noch das vielleicht bekannteste Lied von Hildegard Knef: „Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke und macht sich in der Dämmrung auf den Weg. Ich brauche frischen Wind um meine Krone, ich will nicht mehr in Reih und Glied in eurem Haine stehn, die gleichen Weise sehen, die Sonne links am Morgen, abends rechts“.
Es ist Bild dafür, dass Menschen in einer Situation sind, die sie als gleichförmig und eintönig empfinden. Sie wollen etwas Neues, etwas Aufregendes – heraus aus dem täglichen Allerlei. Sie wollen eine neue Perspektive gewinnen. Sie stellen sich die Frage: Welche Blickrichtung habe ich heute? Wohin und worauf soll mein Leben in der nächsten Zeit gerichtet sein? Was ist mir wichtig und ich investiere darin Zeit?
Manchmal sind es auch äußere Gründe, die zu solch einem Perspektivenwechsel führen. Überforderung am Arbeitsplatz, Krankheit oder Verlust eines geliebten Menschen können das z.B. sein. Aber es kommt zu einer Veränderung in mir selbst und damit auch in den Beziehungen zu den Menschen, die mir nahe stehen.
Und nun schaue ich hier auf den Zöllner Matthäus. Er hatte alles, was sich Menschen im Leben wünschen. Er war reich, er hatte ein gesichertes Einkommen. Er hatte zwar auch viele Gegner, aber auch viele Freunde. Wie das bei jedem von uns auch ist. Er hatte ein geordnetes Leben. Die Tage gingen dahin ohne viel Aufsehen. Vermutlich hatte dieses Leben nicht sehr viele Höhepunkte, aber es hatte wohl auch nicht große Schwierigkeiten und war nicht mit existentiellen Nöten verbunden. Dennoch – da kommt ein Mann aus Galiläa daher und spricht diese kurze Aufforderung: „Folge mir!“ Und sofort macht sich Matthäus auf und folgt ihm nach.
Liberal eingestellte Menschen gehen jetzt in die Luft und sagen: Das ist Manipulation! Das ist Zwang! Das ist diktatorisch! Das gehört verboten! Ich habe schon einmal eine Diskussion mit jemandem darüber geführt, der meinte, solch ein Aufruf zur Nachfolge gehört in einem demokratischen Land verboten. Da ist das Denken ja ganz ausgeschaltet! Tatsächlich lese ich nichts darüber, warum Matthäus diesem Aufruf sofort gefolgt ist. Darüber könnte ich höchstens spekulieren. Will ich aber nicht. Ich stelle fest: Ihm genügt, was Jesus sagt und er folgt ihm. Er hätte ja auch anders reagieren können. „Herr, jetzt noch nicht. Lass mir noch ein wenig Zeit, ich muss mir das erst noch genau überlegen. Ich will noch meine Angehörige fragen. Ich muss noch ein paar private Dinge erledigen. Ich muss noch die notwendigsten Sachen mit meiner Frau klären und sie über meine Zukunftspläne mit dir unterrichten“.
Nein, so reagiert er nicht – dieser Mann. Irgendwie hat es ihn gepackt und er handelt – bedingungslos, ohne Nachfrage, alle Risiken ausweichend. Er folgt dem Ruf, steht auf und geht mit Jesus mit.
Bei der Begegnung mit Jesus gibt es für ihn keine Mittelwege, keine Halbheiten und auch keine Zugeständnisse. Es ist eine besondere Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Bibel nennt das „Kairos“. Plötzlich sind alle Fragen und Vorbehalte weg und es kommt zur Tat. Für Matthäus beginnt ein neues Leben, das Leben mit Christus.
Matthäus hört auf diesen Menschen, der für ihn zu dieser Zeit nicht mehr als ein jüdischer Gelehrter – ein Rabbi – ist. Aber er hört in diesem Jesus v. Nazareth einen Mann, der für ihn neues Leben geben kann. Er schaut auf diese Person und erkennt in ihm jmd., der ihm neue Lebenswege schenken wird. Er schaut auf diese Person und erkennt in ihm die Liebe Gottes.
Das ist die Spur für uns. „Gott bringt Farbe in dein Leben“ ist das Motto an diesem Gemeindefest. Diese Farbe von Gott kommt in unser Leben, weil Gott jeden einzelnen von uns in seiner Persönlichkeit geschaffen hat. Wir sind vor Gott keine Massenware wie wir das von diktatorischen Gesellschaften gewohnt sind. Alle in derselben Uniform, alle müssen dasselbe denken und entsprechend handeln. Wehe, es hat jmd. eine andere Überzeugung? Alles muss gleichgeschaltet sein! Nein, bei Gott hat jeder mit seiner Persönlichkeit einen Platz und ist wertvoll geachtet. Da werden Menschen herausgerissen aus ihren scheinbar so angestammten Positionen und Werten. Matthäus als Zöllner hatte in der damaligen Gesellschaft seine bestimmte Rolle. Darin wurde er festgenagelt. Und dann kommt Jesus und er lässt das alles zurück. Das bedeutet für mich: Wenn Gott Farbe in mein Leben bringt, dann stelle ich mich auch darauf ein, dass mein Gegenüber eine bestimmte Persönlichkeit hat, die wertvoll ist. Aber sie entspricht nicht immer meinen Wünschen.
Der Andere hat Eigenschaften, die mir nicht gefallen und die ich dennoch verstehen muss und kann. Spätestens in einer Ehe wird das offenbar, dass der andere nicht nach meinen Wünschen gebacken ist und ich ihn dennoch liebe! Diese Farbe Gottes ist das spüren, dass Gott mit mir eine Beziehung aufbaut und ich in der Beziehung zu anderen Menschen leben kann. Wenn ich mich darauf einlasse, kann das zu einer radikalen Lebensveränderung führen. Dann entscheiden nämlich nicht immer die vom Kopf und Denken geprägten Handlungen. Dann spielt das Gefühl eine große Rolle. Dann kommt mein Herz zum Tragen. Dann gelten unter Umständen nicht mehr irgendwann einmal aufgestellte Konventionen.
Vor allem auch: Die Kritiker treten auf und hinterfragen mich. „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?“ fragen die frommen Pharisäer. Das war nämlich verboten, dass ein frommer Jude mit den Zöllnern isst. Aber Jesus setzt sich darüber hinweg. Er schert sich nicht um solche „angeblich frommen“ Meinungen und Haltungen. Er ist ganz auf die Person ausgerichtet und sieht ins Herz. Und in diesem Herzen von Matthäus leuchtet es wie ein Regenbogen. Farbe ist in sein Leben gekommen, weil Jesus das Dunkle in ihm übermalt hat. Er spürt, dass durch Jesus neue Gemeinschaft mit anderen Menschen entsteht. Mit anderen Menschen Jesus nachfolgen und mit allen essen und trinken und Gemeinschaft zu haben. Mehr Farbe im Leben geht nicht. Das wünsche ich allen, die heute mit uns diesen Tag verbringen. In der Mitte steht Jesus! Und genau mit ihm werden wir feiern und Farbe in unser Leben lassen.
Amen
Super, dass die Predigt nachlesbar ist. So kann ich mich besser damit beschäftigen, den versäumten Gottesdienst ersetzen und der/die Prediger/in ist gezwungen, sich gründlich vorzubereiten.
Bei meinen wechselnden Gottesdienstbesuchen im Nürnberger Land, habe ich Altensittenbach schon seit geraumer Zeit im Focus. Das Adventskonzert war auch toll (zumindest für mich als Taize-Fan.
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