Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 332 vom 10.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Tut, tut

Heute ist der 10.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 10.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen:  „Alle Dingen sind durch das Wort gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Johannes 1, 3 – 4).

Es ist ein Montag. Simon ist genau einen Tag tot. Ich bin mit meiner Familien wieder zu Hause in Altensittenbach. Am Nachmittag suche ich die frische Luft. Ich gehe auf dem Weg neben den Gleisen nach Reichenschwand. Wie oft bin ich diesen Weg mit Simon gegangen? „Gehen Sie so oft wie möglich mit ihm spazieren. Dann erhalten sie lange die Gehfähigkeit Ihres Sohnes“. Diese Worte von einem Vater eines MPS-Kindes aus dem Jahr 2000 haben sich in mir eingeprägt. So oft ich konnte, habe ich das in die Tat umgesetzt.

Vor allem am Freitagnachmittag und am Samstag war das oft der Fall. Nach Reichenschwand und zurück waren es immerhin gute 6 Kilometer. Er war immer an der Hand und wurde so von mir geführt. Später habe ich ihn damit festgehalten, damit er nicht umgefallen ist. Er konnte irgendwann sein Gleichgewicht nicht mehr halten. Diesen Weg neben den Zuggleisen liebte Simon. Er war immer begeistert, wenn ein Zug gefahren ist. Und es fuhren in einer Stunde sechs Personenzüge und zwei Güterzüge. Wenn einer „anrauschte“, dann bin ich mit ihm auch ein wenig in Richtung Gleise gegangen und er hat schon von weitem den Zug gesehen. Er hat sich gefreut und immer wieder einmal „Tut, tut“ gesagt. Das war seine Umschreibung für „Zug“.

Wenn ich heute diesen Weg nehme, sind die Erinnerungen an ihm natürlich sehr hoch. Denn Erinnerungen können mir nicht genommen werden. Ein besonderes Erlebnis habe ich auch nicht vergessen. Eines Tages laufe ich mit Simon fest an der Hand in Richtung Fußballplatz. Er konnte damals noch richtig gut laufen, ich musste ihn aber festhalten. Er hat dabei so stark gezogen, dass ich in meiner linken Hand oft ein Ziehen spürte und ich schon ein wenig Angst hatte, einen Tennisarm zu bekommen. Kurz vor der Einmündung in die Fred-Schäfer-Straße hält ein Auto neben mir und ein Mann steigt aus. Er fragt danach, warum ich diesen Jugendlichen so stark führen würde. Offenbar hatte er eine Entführung vermutet. Jedenfalls kam ihm das „spanisch“ vor. Ich habe ihm alles erklärt und er war zufrieden. Immerhin hatte er bemerkt, dass Simon krank war. Aber solche oft auch falsche Wahrnehmungen anderer Menschen hat es ja in der Coronakrise auch schon gegeben, wenn manche Leute andere wegen Nicht-Beachtung der Coronaregeln angezeigt haben.

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