Archiv des Autors: Christl Schäfer-Geiger

Quellen, aus denen Leben fließt

Quellen, aus denen Leben fließt ist ein Kurs über vier Abende, den die Kirchengemeinde Altensittenbach im Rahmen der „Kurse zum Glauben“ der Evanglischen Kirche anbietet.
Wir alle sind in unserem Leben unterwegs und suchen ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt. Jeder Mensch geht Stufe um Stufe seinen Weg. In diesem Kurs spüren wir behutsam diesen Überlegungen nach und suchen nach den Lebensquellen, die uns in unserem Leben angeboten werden.

Der Kurs ist kostenlos und umfasst vier Einheiten an folgenden Tagen:
19.01. – 26.01. – 09.02. – 23.02.2015, jeweils um 19.30 Uhr

Kursleitung:
Peter Höfler, Sabine Stein, Christl Schäfer-Geiger

Stufen des Lebens            Flyer Stufen des Lebens

Berufung (Eph. 4, Pfarrer Gerhard Metzger)

Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis
Eph. 4, 1 – 2
Prediger: Gerhard Metzger, Pfarrer
Altensittenbach, 12.10.2014

Liebe Gemeinde,

das war eine besondere Überraschung. Christoph Kramer wurde von Joachim Löw in die deutsche Elf für die WM berufen. Ursprünglich war er nicht einmal im vorläufigen Kader der 30 Spieler. Aber dann gab es Verletzungen und er bekam die Einladung. In der Presse stand, dass er nur zum Auffüllen dabei ist und im endgültigen Aufgebot fehlen würde. Aber dann verletzte sich Marco Reuß und Kramer fuhr mit nach Brasilien. Die sog. Experten gaben ihm keine Chance für ein Turnierspiel. Also: Er war ohne Chance, aber diese nutzte er. Und dann spielte er sogar in der Startelf beim Endspiel. Dort gab es die schwere Verletzung nach einer Tätlichkeit durch einen Ellenbogenchek eines Argentiniers. Er war benommen, fast bewusstlos. Er blutete am ganzen Gesicht. Dennoch wollte er weiterspielen und musste vom Platz heruntergeführt werden. Christoph Kramer wurde für seinen Einsatz weltberühmt und nur 8 Wochen vorher kannte ihn fast keiner.

Er hat das erlebt, was es heißt: Berufen zu sein für eine besondere Aufgabe. Berufen zu sein in ein Team. Berufen zu sein in eine Mannschaft, in der es nur wenige schaffen. Berufen zu sein und so sich einen Traum zu erfüllen. Wer berufen wird, erhält eine besondere Stellung und Würdigung. Er ist nicht kraft seiner Geburt in einem Amt. Er verdankt das nicht seinen Eltern oder einem Wahlgremium. Er kommt in eine bestimmte Position kraft einer besonderen Begabung oder seines Charakters. Früher wurden in der Kirche die Dekane und Kreisdekane berufen. Der Personalreferent dachte sich dafür die nach seiner Meinung dafür besonders begabten Pfarrer aus. Mit einer Berufung kann ein Gremium sich selbst ergänzen. Der Kirchenvorstand beruft nicht gewählte Mitglieder in seine Mitte. Er macht sich vorher Gedanken, wer noch sehr gut dafür geeignet ist. Das ist dann eine besondere Würdigung für einen Menschen, dadurch das geistliche Leben mitentscheiden zu dürfen. Weil solche Berufungen ehrenvoll sein können, werden auch Wahlentscheidungen so benannt, obwohl sie das nicht sind. Der Bundestag beruft jmd. aus seiner Mitte in das Amt des Bundeskanzlers, eine Fakultät beruft einen Wissenschaftler auf eine Professur. Aber da gehen vorher demokratische Wahlen voraus und die Mehrheit hat Recht.

Auch Gott beruft Menschen. Der Ruf ergeht durch die Predigt des Evangeliums. Berufen werden hat mit hören können zu tun. Das innere Ohr ist entscheidend. „Wer Ohren hat zu hören, der höre“ – lese ich mehrmals in der Bibel. Das Gegenteil nimmt Jesus selbst in den Mund: „Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen“ (Mt 13,14). Glaube hat damit zu tun, dass Gott ruft, beruft und den Menschen in den Stand eines Berufenen setzt. Das ist eine Würdigung von außen. Das zeigt: Gott ist der Handelnde. An Gott liegt es. Das Besondere: Er schaut nicht auf menschliche Qualität und Eigenschaften. Er macht vorher keinen Leistungstest oder eine Eignungsprüfung. Er wählt nicht Menschen vorher gegeneinander aus um welche in seine Mannschaft zu nominieren und andere draus zu lassen.

Er ruft, weil ich sein Geschöpf bin. Gleichzeitig respektiert er aber auch meine Antwort. Das haben die Jünger vor 2000 Jahren ganz konkret erfahren. Jesus ruft sie mit den Worten: „Komm, folge mir nach“. Diesen konkreten Ruf haben manche angenommen, andere haben ihn abgelehnt. Im Rufen steckt auch immer die Möglichkeit, dass der Gerufene und Berufene nicht annimmt. Der sog. „Reiche Jüngling“ dreht sich z.B. um und folgt Jesus nicht nach (Lk 18).

Gott beruft Menschen in seine Nachfolge. Was das konkret heißt, kann ich in der Bibel lesen. Sie spricht im Blick auf die Berufung der Christen vor allem vom ewigen Leben. „…ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist…(1. Tim 6,12). In Diskussionen und Fernsehsendungen wird das oft kritisiert: Dass Christen von Himmel und Hölle sprechen.

Dass sie davon reden, dass es ein ewiges Leben in Gottes Nähe und ein ewiges Leben in Gottes Ferne gibt. Das wird als antiquierte Vorstellung hingestellt. Und tatsächlich wurde über Jahrhunderte den Menschen mit Bildern aus der Hölle Angst gemacht. Aber mit Drohungen, mit Ängste schüren und der Vorstellung von teuflischen Fratzen entsteht kein lebendiger und froh machender Glaube. Das ist kein Evangelium. Nach dem biblischen Prinzip von „Saat und Ernte“ erleben wir jetzt das Gegenteil. Es gibt die Vorstellung von einem „Eia-popaia-Gott“. Der tut doch niemanden etwas. Aber der Ruf Gottes zum ewigen Leben bleibt. Wer diesen Ruf hört und glaubt, der hat die Verheißung, dass Gott ihm eine Wohnung in der unsichtbaren Welt gibt.

„Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus…“(1. Petr. 10). In der Offenbarung des Johannes wird in Bildern ausgedrückt, was Christen von der Ewigkeit erwarten können. „Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind“ (cap 19,9). Es ist nicht meine eigene Leistung und nicht meine eigene menschliche Charakterqualität, dass ich die Ewigkeit Gottes erleben darf. Es ist das Rufen Gottes an mich und es ist mein Hören auf ihn. Die Berufung des Christen ist vor allem auf einen künftigen Status ausgerichtet, auf eine Wirklichkeit, in die der Mensch eintritt, wenn er diese Welt verlässt. Sie werden dann als Kinder Gottes offenbar und werden Erben seines Reiches genannt. Diese Berufung zum ewigen Leben ist auch nicht begrenzt. Frank Kramer wird irgendwann aus der Nationalmannschaft zurücktreten und nie mehr da hinein berufen werden. Es ist eine Berufung auf Zeit. Die Berufung Gottes aber ist für immer. Niemand kann einem diese Teilhabe streitig machen. Niemand kann einen aus dieser Wirklichkeit abberufen. Gott selbst gewährleistet die Teilhabe am ewigen Leben.

Diese Berufung des Christen von Gott hat ein unsichtbares Ziel. Es hat Auswirkungen für die Ewigkeit. Gleichzeitig bestimmt es aber auch schon mein Leben hier auf das sichtbare Leben. Und da ist Paulus sehr realistisch. „Ertragt einer den andern in Liebe“ (V. 2). Nach dieser besonderen Würdigung von Gott berufen zu sein, folgt sofort die Ermahnung. Offenbar weiß der Apostel nur zu gut um die Schwäche seiner lieben Mitchristen.

Da ist oft – zu oft – Streit vorprogrammiert. Da geht es „wie in der Welt“ zu. Da steht Meinung gegen Meinung und eigene Interessen sind im Mittelpunkt. Ich lese aus dieser Mahnung vor allem heraus, dass es Paulus darum geht, den anderen zu achten und wert zu schätzen. Ich muss mich nicht immer als der Bessere positionieren. Ich bin nicht immer der, der alles besser weiß und den anderen mit seiner Meinung und seinen Gefühlen nicht ernst nimmt. Ich bin einer unter vielen mit meinen Stärken und Schwächen. Der andere ist mir an die Seite gestellt. Und jetzt kommt alles darauf an, dass wir in der Liebe Jesu miteinander auskommen. Gemeinsam steht das Ziel vor Augen: Du bist im Glauben an Jesus von Gott berufen zum ewigen Leben.
Amen

Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht (Spr 15, Pfarrer Gerhard Metzger)

Predigt zum 11. Sonntag nach Trinitatis
Spr 15, 13
Prediger: Gerhard Metzger, Pfarrer
Oberkrumbach/Altensittenbach, 31.08.2014

Liebe Gemeinde,

bei einer Feier ist ein wunderschönes Buffet aufgebaut. Am Anfang der Tafel steht eine große Schale mit Äpfeln. Da auch einige Kinder dabei sind, steht ein kleines Schild daneben: „Bitte nur einen Apfel nehmen. Gott schaut zu“. Am Ende des Tisches steht eine Schale mit leckeren Keksen. Es dauert nicht lange, dann steht auch dort ein Schild in krakeliger Kinderschrift: „Nimm so viel du willst! Gott passt gerade auf die Äpfel auf!“

Kinder und Narren sagen die Wahrheit – sagt ein gelehrter Spruch. Es sind Kinder, die uns vieles deutlich machen, was Erwachsene nicht mehr wahrnehmen können. Und diese eine Wahrheit steht fest wie in Blei gegossen: „Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht“. Das Äußere ist also ein Widerschein für meinen inneren Zustand. Eine Familie besucht einen Tierpark in sehr früher Morgenstunde. Da fragt der kleine Fritz: „Vati, warum macht denn der Geier so ein dummes Gesicht?“ Sein Vater antwortet: „Weil noch kein Aas da ist…“. Das ist die lustige Variante dieses Bibelverses.

Ich denke zurück an eine kurze Begegnung vor einigen Jahren. Ich begegne nach längerer Zeit einer Frau auf der Straße. Wir grüßen uns und ich bemerke ein ernstes Gesicht. Das war für sie ungewöhnlich. Ich kannte sie nur als eine lächelnde Person. Ich fragte: „Geht es Ihnen nicht gut? Sie schauen so betrübt aus“. Sie antwortete: „Ich hab auch mal Probleme“. An dieser Antwort merkte ich, dass allein die Nachfrage in ihr ein negatives Gefühl hervorrief. Sie fühlte sich ertappt. Dabei meinte ich es wirklich mitfühlend. Menschen zeigen am Äußeren wie es in Ihnen aussieht. Bei Babys und kleinen Kindern ist es noch relativ einfach. Babys z.B. – so habe ich gelesen – zeigen reflexartig ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Also das bloße Anschauen ihres Gesichtes erzeugt eine lächelnde Reaktion. Deshalb kenne ich fast nur Bilder mit fröhlichen Babys. Das ist eine Art und Weise, diese Welt wahrzunehmen. Denken Sie nur einmal an sich selbst. Sie schauen z.B. Kinderbilder an von Freunden oder Nachbarn. Wetten, dass Sie dann sagen: „Ach, wie hübsch das Kind aussieht. Ach wie niedlich. Schau hin, wie das kleine Kind lacht“. Stellen Sie sich mal vor, ein anderer würde über ihr Kind oder über ihr Enkelkind das Urteil fällen: „Das sieht ja furchtbar aus. Euer Kind ist ja wirklich hässlich“. Ich glaube, die Freundschaft wäre schnell beendet.

Ein kleines Kind sieht auch wirklich immer hübsch aus. Es reflektiert noch nicht die Wirklichkeit. Es kennt keine Kriegskonflikte und kleine sowie große Probleme. Es fühlt Nähe und Liebe und weiß sich in den Händen der Eltern geborgen. Es zeigt nach außen wie die Welt so unkompliziert sein kann. Wenn ich Bilder von meinem eigenen Enkelkind anschaue, dann füllt mir auf, dass er immer lächelnd in die Kamera schaut. Ich kann nicht genug von diesen Bildern haben. Ein Foto jagt das andere und ich schaue sie mir oft an. Der kleine Philip sieht dieses Ding da vorne und schaut lächelnd hinein. Alle freuen sich und sagen: Das machst du ja toll. Schaut mal her, wie gut er drauf ist. Schaut mal die Bilder an, wie er lächelt. Und dann wird er gelobt und denkt sich vermutlich: Wenn ich in dieses Ding da vorne hineinschaue, dann stehe ich immer im Mittelpunkt. Was will ich mehr?“ Ich kann allen Eltern nur raten, diese Zeit auszukosten und in sich aufzunehmen. Es werden andere Zeiten kommen! Ich garantiere ihnen: Später wird ein Mensch nie mehr so gelobt, nur weil er in eine Kamera schaut.

Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht“. Das Herz ist der Sitz meiner Gefühle. Vom Herzen her zeige ich, wie es mir geht und welche Empfindungen ich habe. Deshalb wird auch Liebe mit einem Herzen dargestellt. Da kommen zwei Herzen zueinander, wenn es zwischen zwei Menschen funkt. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass ich als Mensch lerne, meine Gefühle wahrzunehmen und über sie zu reden. Deshalb ist es auch so wichtig, dass ich dem anderen mit Worten sage, wer er für mich ist und dass ich ihm von ganzem Herzen liebe. Die Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa hat einmal gesagt: „Ein fröhliches Herz entsteht normalerweise nur aus einem Herzen, das vor Liebe brennt“. In mir brennt dieses Feuer voll Liebe und dann kann ich auch diese Freude zeigen, die meinem Gesicht diese Fröhlichkeit verleiht.

Und wie sieht es dann aus, wenn es mir schlecht geht? Wenn ich traurig bin oder Trauer habe? Wenn ich voller Probleme stecke und nicht weiß, wie der morgige Tag aussehen kann und wird? Ich habe zwei Möglichkeiten. Ich bin ganz traurig und wie gelähmt. Ich scheue jeden Menschen. Ich will nicht mehr am Leben teilnehmen. Wird dadurch das Schwere überwunden? Wird es im Leben besser?

Oder ich versuche, mich dieser Trauer zu stellen. Ich äußere meine Gefühle. Ich will aber in das Leben wieder hineinfinden. Ich gehe unter die Leute und baue wieder Beziehungen auf. Dann sind die Probleme immer noch da und die Trauer ist nicht einfach weggeblasen. Aber diese Trauer hat keine Macht mehr über mich. Ich kann dieses Leben wieder neu leben. Vielleicht gibt es auch noch eine ganz andere Möglichkeit, dieses Schwere zu überwinden. Ich treffe die Entscheidung, mich einer neuen Freude und Fröhlichkeit zu öffnen trotz allem Schweren im Leben. Ich will dieses „Dennoch des Glaubens“ leben, von dem der Ps 73 spricht: „Dennoch bleibe ich stets bei dir“.

  1. Luther hat einmal gesagt: „Viel Reichtum tröstet nicht so sehr wie ein fröhliches Herz“. Er rückt damit die Verhältnisse im Leben wieder zurecht. Es geht darum, dass Menschen Liebe und Zuneigung weitergeben. Sie sollen erkennen, wie wichtig mein Mann/meine Frau an meiner Seite ist. Sie sollen im Heute leben können und ihre ganze Liebe den Kindern und der Familie weitergeben. Sie sollen spüren, wie diese Liebe mein Angesicht verändert und damit auch meine Umwelt. Ich will nicht mit einer Schnute herumlaufen. Ich will im Dennoch aller meiner persönlichen Probleme und aller Weltkonflikte lernen, dieses Leben als ein Geschenk anzunehmen und Fröhlichkeit leben. In Anlehnung an die Bergpredigt haben Christen das einmal so ausgedrückt: „Selig die, die lächeln können und kein böses Gesicht machen; ihre Wege werden sonnenbeschienen sein“.

Amen

Gott bringt Farbe in dein Leben (Matth. 9, 9 – 13, Pfarrer Gerhard Metzger)

Predigt zum Gemeindefest
Matth. 9, 9 – 13
Prediger: Gerhard Metzger, Pfarrer
Altensittenbach, 13.07.2014

Liebe Gemeinde,

die Älteren unter uns kennen vermutlich noch das vielleicht bekannteste Lied von Hildegard Knef: „Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke und macht sich in der Dämmrung auf den Weg. Ich brauche frischen Wind um meine Krone, ich will nicht mehr in Reih und Glied in eurem Haine stehn, die gleichen Weise sehen, die Sonne links am Morgen, abends rechts“.

Es ist Bild dafür, dass Menschen in einer Situation sind, die sie als gleichförmig und eintönig empfinden. Sie wollen etwas Neues, etwas Aufregendes – heraus aus dem täglichen Allerlei. Sie wollen eine neue Perspektive gewinnen. Sie stellen sich die Frage: Welche Blickrichtung habe ich heute? Wohin und worauf soll mein Leben in der nächsten Zeit gerichtet sein? Was ist mir wichtig und ich investiere darin Zeit?

Manchmal sind es auch äußere Gründe, die zu solch einem Perspektivenwechsel führen. Überforderung am Arbeitsplatz, Krankheit oder Verlust eines geliebten Menschen können das z.B. sein. Aber es kommt zu einer Veränderung in mir selbst und damit auch in den Beziehungen zu den Menschen, die mir nahe stehen.

Und nun schaue ich hier auf den Zöllner Matthäus. Er hatte alles, was sich Menschen im Leben wünschen. Er war reich, er hatte ein gesichertes Einkommen. Er hatte zwar auch viele Gegner, aber auch viele Freunde. Wie das bei jedem von uns auch ist. Er hatte ein geordnetes Leben. Die Tage gingen dahin ohne viel Aufsehen. Vermutlich hatte dieses Leben nicht sehr viele Höhepunkte, aber es hatte wohl auch nicht große Schwierigkeiten und war nicht mit existentiellen Nöten verbunden. Dennoch – da kommt ein Mann aus Galiläa daher und spricht diese kurze Aufforderung: „Folge mir!“ Und sofort macht sich Matthäus auf und folgt ihm nach.

Liberal eingestellte Menschen gehen jetzt in die Luft und sagen: Das ist Manipulation! Das ist Zwang! Das ist diktatorisch! Das gehört verboten! Ich habe schon einmal eine Diskussion mit jemandem darüber geführt, der meinte, solch ein Aufruf zur Nachfolge gehört in einem demokratischen Land verboten. Da ist das Denken ja ganz ausgeschaltet! Tatsächlich lese ich nichts darüber, warum Matthäus diesem Aufruf sofort gefolgt ist. Darüber könnte ich höchstens spekulieren. Will ich aber nicht. Ich stelle fest: Ihm genügt, was Jesus sagt und er folgt ihm. Er hätte ja auch anders reagieren können. „Herr, jetzt noch nicht. Lass mir noch ein wenig Zeit, ich muss mir das erst noch genau überlegen. Ich will noch meine Angehörige fragen. Ich muss noch ein paar private Dinge erledigen. Ich muss noch die notwendigsten Sachen mit meiner Frau klären und sie über meine Zukunftspläne mit dir unterrichten“.

Nein, so reagiert er nicht – dieser Mann. Irgendwie hat es ihn gepackt und er handelt – bedingungslos, ohne Nachfrage, alle Risiken ausweichend. Er folgt dem Ruf, steht auf und geht mit Jesus mit.

Bei der Begegnung mit Jesus gibt es für ihn keine Mittelwege, keine Halbheiten und auch keine Zugeständnisse. Es ist eine besondere Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Bibel nennt das „Kairos“. Plötzlich sind alle Fragen und Vorbehalte weg und es kommt zur Tat. Für Matthäus beginnt ein neues Leben, das Leben mit Christus.

Matthäus hört auf diesen Menschen, der für ihn zu dieser Zeit nicht mehr als ein jüdischer Gelehrter – ein Rabbi – ist. Aber er hört in diesem Jesus v. Nazareth einen Mann, der für ihn neues Leben geben kann. Er schaut auf diese Person und erkennt in ihm jmd., der ihm neue Lebenswege schenken wird. Er schaut auf diese Person und erkennt in ihm die Liebe Gottes.

Das ist die Spur für uns. „Gott bringt Farbe in dein Leben“ ist das Motto an diesem Gemeindefest. Diese Farbe von Gott kommt in unser Leben, weil Gott jeden einzelnen von uns in seiner Persönlichkeit geschaffen hat. Wir sind vor Gott keine Massenware wie wir das von diktatorischen Gesellschaften gewohnt sind. Alle in derselben Uniform, alle müssen dasselbe denken und entsprechend handeln. Wehe, es hat jmd. eine andere Überzeugung? Alles muss gleichgeschaltet sein! Nein, bei Gott hat jeder mit seiner Persönlichkeit einen Platz und ist wertvoll geachtet. Da werden Menschen herausgerissen aus ihren scheinbar so angestammten Positionen und Werten. Matthäus als Zöllner hatte in der damaligen Gesellschaft seine bestimmte Rolle. Darin wurde er festgenagelt. Und dann kommt Jesus und er lässt das alles zurück. Das bedeutet für mich: Wenn Gott Farbe in mein Leben bringt, dann stelle ich mich auch darauf ein, dass mein Gegenüber eine bestimmte Persönlichkeit hat, die wertvoll ist. Aber sie entspricht nicht immer meinen Wünschen.

Der Andere hat Eigenschaften, die mir nicht gefallen und die ich dennoch verstehen muss und kann. Spätestens in einer Ehe wird das offenbar, dass der andere nicht nach meinen Wünschen gebacken ist und ich ihn dennoch liebe! Diese Farbe Gottes ist das spüren, dass Gott mit mir eine Beziehung aufbaut und ich in der Beziehung zu anderen Menschen leben kann. Wenn ich mich darauf einlasse, kann das zu einer radikalen Lebensveränderung führen. Dann entscheiden nämlich nicht immer die vom Kopf und Denken geprägten Handlungen. Dann spielt das Gefühl eine große Rolle. Dann kommt mein Herz zum Tragen. Dann gelten unter Umständen nicht mehr irgendwann einmal aufgestellte Konventionen.

Vor allem auch: Die Kritiker treten auf und hinterfragen mich. „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?“ fragen die frommen Pharisäer. Das war nämlich verboten, dass ein frommer Jude mit den Zöllnern isst. Aber Jesus setzt sich darüber hinweg. Er schert sich nicht um solche „angeblich frommen“ Meinungen und Haltungen. Er ist ganz auf die Person ausgerichtet und sieht ins Herz. Und in diesem Herzen von Matthäus leuchtet es wie ein Regenbogen. Farbe ist in sein Leben gekommen, weil Jesus das Dunkle in ihm übermalt hat. Er spürt, dass durch Jesus neue Gemeinschaft mit anderen Menschen entsteht. Mit anderen Menschen Jesus nachfolgen und mit allen essen und trinken und Gemeinschaft zu haben. Mehr Farbe im Leben geht nicht. Das wünsche ich allen, die heute mit uns diesen Tag verbringen. In der Mitte steht Jesus! Und genau mit ihm werden wir feiern und Farbe in unser Leben lassen.

Amen