Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis
Eph. 4, 1 – 2
Prediger: Gerhard Metzger, Pfarrer
Altensittenbach, 12.10.2014
Liebe Gemeinde,
das war eine besondere Überraschung. Christoph Kramer wurde von Joachim Löw in die deutsche Elf für die WM berufen. Ursprünglich war er nicht einmal im vorläufigen Kader der 30 Spieler. Aber dann gab es Verletzungen und er bekam die Einladung. In der Presse stand, dass er nur zum Auffüllen dabei ist und im endgültigen Aufgebot fehlen würde. Aber dann verletzte sich Marco Reuß und Kramer fuhr mit nach Brasilien. Die sog. Experten gaben ihm keine Chance für ein Turnierspiel. Also: Er war ohne Chance, aber diese nutzte er. Und dann spielte er sogar in der Startelf beim Endspiel. Dort gab es die schwere Verletzung nach einer Tätlichkeit durch einen Ellenbogenchek eines Argentiniers. Er war benommen, fast bewusstlos. Er blutete am ganzen Gesicht. Dennoch wollte er weiterspielen und musste vom Platz heruntergeführt werden. Christoph Kramer wurde für seinen Einsatz weltberühmt und nur 8 Wochen vorher kannte ihn fast keiner.
Er hat das erlebt, was es heißt: Berufen zu sein für eine besondere Aufgabe. Berufen zu sein in ein Team. Berufen zu sein in eine Mannschaft, in der es nur wenige schaffen. Berufen zu sein und so sich einen Traum zu erfüllen. Wer berufen wird, erhält eine besondere Stellung und Würdigung. Er ist nicht kraft seiner Geburt in einem Amt. Er verdankt das nicht seinen Eltern oder einem Wahlgremium. Er kommt in eine bestimmte Position kraft einer besonderen Begabung oder seines Charakters. Früher wurden in der Kirche die Dekane und Kreisdekane berufen. Der Personalreferent dachte sich dafür die nach seiner Meinung dafür besonders begabten Pfarrer aus. Mit einer Berufung kann ein Gremium sich selbst ergänzen. Der Kirchenvorstand beruft nicht gewählte Mitglieder in seine Mitte. Er macht sich vorher Gedanken, wer noch sehr gut dafür geeignet ist. Das ist dann eine besondere Würdigung für einen Menschen, dadurch das geistliche Leben mitentscheiden zu dürfen. Weil solche Berufungen ehrenvoll sein können, werden auch Wahlentscheidungen so benannt, obwohl sie das nicht sind. Der Bundestag beruft jmd. aus seiner Mitte in das Amt des Bundeskanzlers, eine Fakultät beruft einen Wissenschaftler auf eine Professur. Aber da gehen vorher demokratische Wahlen voraus und die Mehrheit hat Recht.
Auch Gott beruft Menschen. Der Ruf ergeht durch die Predigt des Evangeliums. Berufen werden hat mit hören können zu tun. Das innere Ohr ist entscheidend. „Wer Ohren hat zu hören, der höre“ – lese ich mehrmals in der Bibel. Das Gegenteil nimmt Jesus selbst in den Mund: „Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen“ (Mt 13,14). Glaube hat damit zu tun, dass Gott ruft, beruft und den Menschen in den Stand eines Berufenen setzt. Das ist eine Würdigung von außen. Das zeigt: Gott ist der Handelnde. An Gott liegt es. Das Besondere: Er schaut nicht auf menschliche Qualität und Eigenschaften. Er macht vorher keinen Leistungstest oder eine Eignungsprüfung. Er wählt nicht Menschen vorher gegeneinander aus um welche in seine Mannschaft zu nominieren und andere draus zu lassen.
Er ruft, weil ich sein Geschöpf bin. Gleichzeitig respektiert er aber auch meine Antwort. Das haben die Jünger vor 2000 Jahren ganz konkret erfahren. Jesus ruft sie mit den Worten: „Komm, folge mir nach“. Diesen konkreten Ruf haben manche angenommen, andere haben ihn abgelehnt. Im Rufen steckt auch immer die Möglichkeit, dass der Gerufene und Berufene nicht annimmt. Der sog. „Reiche Jüngling“ dreht sich z.B. um und folgt Jesus nicht nach (Lk 18).
Gott beruft Menschen in seine Nachfolge. Was das konkret heißt, kann ich in der Bibel lesen. Sie spricht im Blick auf die Berufung der Christen vor allem vom ewigen Leben. „…ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist…(1. Tim 6,12). In Diskussionen und Fernsehsendungen wird das oft kritisiert: Dass Christen von Himmel und Hölle sprechen.
Dass sie davon reden, dass es ein ewiges Leben in Gottes Nähe und ein ewiges Leben in Gottes Ferne gibt. Das wird als antiquierte Vorstellung hingestellt. Und tatsächlich wurde über Jahrhunderte den Menschen mit Bildern aus der Hölle Angst gemacht. Aber mit Drohungen, mit Ängste schüren und der Vorstellung von teuflischen Fratzen entsteht kein lebendiger und froh machender Glaube. Das ist kein Evangelium. Nach dem biblischen Prinzip von „Saat und Ernte“ erleben wir jetzt das Gegenteil. Es gibt die Vorstellung von einem „Eia-popaia-Gott“. Der tut doch niemanden etwas. Aber der Ruf Gottes zum ewigen Leben bleibt. Wer diesen Ruf hört und glaubt, der hat die Verheißung, dass Gott ihm eine Wohnung in der unsichtbaren Welt gibt.
„Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus…“(1. Petr. 10). In der Offenbarung des Johannes wird in Bildern ausgedrückt, was Christen von der Ewigkeit erwarten können. „Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind“ (cap 19,9). Es ist nicht meine eigene Leistung und nicht meine eigene menschliche Charakterqualität, dass ich die Ewigkeit Gottes erleben darf. Es ist das Rufen Gottes an mich und es ist mein Hören auf ihn. Die Berufung des Christen ist vor allem auf einen künftigen Status ausgerichtet, auf eine Wirklichkeit, in die der Mensch eintritt, wenn er diese Welt verlässt. Sie werden dann als Kinder Gottes offenbar und werden Erben seines Reiches genannt. Diese Berufung zum ewigen Leben ist auch nicht begrenzt. Frank Kramer wird irgendwann aus der Nationalmannschaft zurücktreten und nie mehr da hinein berufen werden. Es ist eine Berufung auf Zeit. Die Berufung Gottes aber ist für immer. Niemand kann einem diese Teilhabe streitig machen. Niemand kann einen aus dieser Wirklichkeit abberufen. Gott selbst gewährleistet die Teilhabe am ewigen Leben.
Diese Berufung des Christen von Gott hat ein unsichtbares Ziel. Es hat Auswirkungen für die Ewigkeit. Gleichzeitig bestimmt es aber auch schon mein Leben hier auf das sichtbare Leben. Und da ist Paulus sehr realistisch. „Ertragt einer den andern in Liebe“ (V. 2). Nach dieser besonderen Würdigung von Gott berufen zu sein, folgt sofort die Ermahnung. Offenbar weiß der Apostel nur zu gut um die Schwäche seiner lieben Mitchristen.
Da ist oft – zu oft – Streit vorprogrammiert. Da geht es „wie in der Welt“ zu. Da steht Meinung gegen Meinung und eigene Interessen sind im Mittelpunkt. Ich lese aus dieser Mahnung vor allem heraus, dass es Paulus darum geht, den anderen zu achten und wert zu schätzen. Ich muss mich nicht immer als der Bessere positionieren. Ich bin nicht immer der, der alles besser weiß und den anderen mit seiner Meinung und seinen Gefühlen nicht ernst nimmt. Ich bin einer unter vielen mit meinen Stärken und Schwächen. Der andere ist mir an die Seite gestellt. Und jetzt kommt alles darauf an, dass wir in der Liebe Jesu miteinander auskommen. Gemeinsam steht das Ziel vor Augen: Du bist im Glauben an Jesus von Gott berufen zum ewigen Leben.
Amen