Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, update 115 vom 08.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wie die Träumenden

Ende Mai laufe ich durch Hersbruck. Da springt mir ein Plakat ins Auge. Darauf waren zwei Menschen an einem Strand im Pazifik zu sehen. Als große Überschrift lese ich: „Wie die Träumenden“. Ein paar Tage vorher war berichtet worden, dass vielleicht doch ein Südsee-Urlaub im Sommer auch für Deutsche möglich ist. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hatte im März und April gesagt, dass sich die Menschen hier lieber darauf einstellen sollten, in Bayern – höchstens in Deutschland – den Urlaub 2020 zu verbringen. Hintergedanke war neben dem Infektionsrisiko die Überlegung, die einheimische Urlaubswirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Wie die Träumenden“ – so wird für diese besondere Zeit des Urlaubs geworben. Ich denke daran, wie ich Urlaub als Kind auf dem Bauernhof erlebt habe. Bis Anfang der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Möglichkeit eines Urlaubs für Bauern völlig ausgeschlossen. Auch für meine Eltern galt dieses Prinzip. Es hat höchstens zu einer Tagesfahrt mit anderen Landwirten gereicht. Wenn im Fernsehen Heimatfilme gezeigt wurden, dann hat meine Mutter oft gesagt: „Da hin möchte ich wenigstens einmal“. Das hat sich bei mir nachhaltig eingeprägt und ich habe schon als Kind darauf sehnsüchtig gewartet, wann dieser Wunsch meiner Mutter endlich erfüllt werden konnte.

Es hat bis 1972 oder 1973 gedauert. Dann war es endlich so weit. Für fünf Tage wurden Reisepläne geschmiedet. Es sollte in die Berge nach Farchant gehen. Auf dem Bauernhof musste natürlich alles vorher organisiert werden. Alles wurde genau besprochen. Wichtig war in diesen Tagen vor allem die Stallarbeit. Alle vier Kinder halfen mit und der Nachbar war in den Vorbereitungen mit einbezogen. Denn es war genauso, wie das auf einem Bauernhof sein kann. Die Tiere halten sich nicht an die Reiseplänen der Menschen. Genau in diesen fünf Tagen sollte eine Kuh ein Kalb zur Welt bringen. Meine Eltern fuhren schon früh um fünf Uhr fort um dann am fünften Tag rechtzeitig vor der Stallarbeit wieder da zu sein. Die Kuh hielt sich genau an den Geburtsplan und am dritten Reisetag brachte sie ihr Kälblein auf die Welt. Zwei Nachbarn wurden sogar geholt. Aber alles klappte hervorragend und meine Eltern waren mit der Arbeit bei ihrer Abwesenheit zufrieden.

Und so organisierten sie einen jährlichen Urlaub in dieser Länge und kamen immer wieder zufrieden zurück. „Ich habe die Berge gesehen“. Oft habe ich diesen Ausspruch von meiner Mutter gehört und sie war glücklich, eben wie eine Träumende. Und die Heimatfilme hat sie noch intensiver angeschaut im Wissen, dort war sie jetzt mehrmals zum Kurzurlaub.

Heute fahre ich mit meiner Frau vom diesjährigen Urlaub nach Hause. Wegen der Coronakrise waren wir diesmal nicht im Trentiner Land am Cavediner See. Wir haben zumindest teilweise den Wunsch unseres Ministerpräsidenten entsprochen und sind in Deutschland geblieben. Die Tage auf Usedom waren ausgefüllt mit vielen Erlebnissen. In mir fühle ich eine Freiheit, mir für diese 14 Tage frei nehmen und auch 2020 fortfahren zu können. Tatsächlich: Urlaub mit langen Flügen in weit entfernt liegenden Gegenden dieser Welt muss nicht sein. Berge und Wasser bei uns in unserem Land schenken auch Erholung. Und wir konnten auch auf Usedom ein wenig „wie die Träumenden“ sein. Aber diese biblische Metapher eignet sich für ein eigenes Update am morgigen Tag.

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