Archiv für das Jahr: 2020

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 180 vom 11.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Eine neue Zeitrechnung?

Es ist früher Nachmittag. Ich fahre mit dem Auto nach Reichenschwand zum Hausarzt. Ich weiß gar nicht mehr den Grund meines Arztbesuches. Ich bin froh gestimmt. In der Früh feierte ich mit zwei Mitarbeiterinnen aus der Arbeit mit Kindern einen sehr schönen Schulanfangsgottesdienst in der Thomaskirche für die Schulanfänger. Wir sangen fröhliche Kinderlieder mit Bewegungen und hatten das Gefühl, die Schüler/-innen mit der Botschaft sehr gut erreicht zu haben. Ein Fahrradschlauch diente als sichtbares Symbol für die Verkündigung. Solch ein Fahrradschlauch kann prall aufgepumpt oder platt sein. So kann es mir auch in der Schule gehen. Ich kann mich darauf freuen oder Ängste haben. Gott verspricht euch, immer da zu sein, auch wenn wir ihn nicht sehen. Er hilft uns, dass wir nicht nur Lernen, sondern dass wir auch viele gute Freunde finden. So lautete die mutmachende Botschaft an diesem Morgen.

Am Nachmittag steht also der Arztbesuch an. Auch auf solch einer kurzen Strecke schalte ich wie immer „B 5 aktuell“ ein. Bei diesem Sender höre ich schnell die Kurznachrichten und bin informiert. Aber an diesem Tag verschlägt es mir auf diesen nur drei Kilometer langen Weg die Sprache und die mutmachende Botschaft vom morgen ist schnell vergessen. Kurz nach der Ausfahrt auf die B 14 höre ich die Schlagzeile: „Die Twintower in New York brennen“. Dann ein paar Meldungen über Terrorangriffe durch Flugzeuge auch auf andere Gebäude in der USA, erste Meldungen über Tote und dass die gesamte Lage noch unübersichtlich ist. Auf dem Parkplatz beim Hausarzt angekommen, höre ich noch kurz in die Worte des Korrespondenten hinein. Es wird vermutet, dass es ein Anschlag ist, der von Osama bin laden ausgegangen ist.

Ich gehe in die Arztpraxis und dort wird schon lebhaft diskutiert über den Islam und seine kriegerischen Ziele. Ich höre einfach zu, bete leise vor mich hin und denke an die Opfer und ihre Angehörige. Der Arztbesuch dauerte insgesamt nur 15 Minuten. Ich fahre schnell nach Hause und daheim angekommen rufe ich noch als Gruß in die Runde der Familie: „Habt ihr schon gehört. Es gab einen Anschlag in New York“. „Ja, wissen wir schon längst. Läuft im Fernseher“. Und dann saßen wir an diesem Tag noch viele Stunden vor diesem Medium, das damals neben Radio und noch ohne Internet und Smartphone der einzige Nachrichtenkanal war.

Heute vor genau 19 Jahren, am 11.09.2001 waren diese Schreckensbilder zu sehen. Es stürzte die Welt in einer dauerhaften Krise, die bis heute noch andauert. Das Ereignis hatte Folgen für die globale Welt. Der Afghanistankrieg, die Änderung der Weltordnung, das politische Erwachen der arabischen Staaten, die Erfahrung, dass eine Weltmacht wie die USA verletzt werden kann.

Ich ertappe mich oft in Gedanken und in den Worten, dass ich „vor dem 11.09.“ und „nach dem 11.09.“ spreche, wenn ich mit anderen über Weltpolitik diskutiere. Noch aber ist unsere Zeit in „v. Chr.“ und „n. Chr.“ eingeteilt. Aber manche Krisentermine haben sich fest in meine Gedanken eingeprägt. Und dazu gehört auch der 11. September 2001. Ich bin gespannt, ob die Menschen in ein paar Jahren von „vor Corona“ und „nach Corona“ sprechen werden.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 179 vom 10.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Auf geht’s nach München

Das war wirklich eine beeindruckende Vorstellung am 14.08.2020. Im Viertelfinale der diesjährigen Championsleague gewinnt Bayern München gegen den FC Barcelona mit 8 : 2. Gestern habe ich davon geschrieben, wie ich Fan dieses bayrischen Fußballvereins wurde in einer Zeit, in der niemand auch nur mit einem Gedanken daran gedacht hat, was aus diesem Verein einmal werden würde: der Sportverein mit den meisten Mitgliedern auf der Welt.

Also fahren meine Frau und ich einen Tag nach dem Viertelfinalspiel der Championsleague nach München. Das war am 15.08. und damit an unserem 39. Hochzeitstag. Was für ein Wunsch: den Hochzeitstag in München zu verbringen, vor allem nach diesem besonderen Fußballspiel. Das Wetter war angenehm. Nicht zu heiß und nicht zu kalt. Ein paar Wolken am Himmel.

Wir setzen uns ins Auto und fahren los. Zuerst in Richtung Lehental. Wir kommen nach Oed, fahren weiter nach Neukirchen b. Sulzbach-Rosenberg. Dort gibt es eine kleine Kaffeepause und dann endlich die letzte Etappe. Wir biegen vor Hirschbach nach links ein und dann sind wir da. „München“ steht groß auf dem Ortsschild. Nach fast 24 Jahren hier in der Hersbrucker Schweiz sind wir endlich einmal in München angekommen. Es gibt etwa 15 Häuser zu sehen. Alles ist ruhig. Von einem Fernsehturm oder einer Allianz-Arena ist nichts zu sehen. Wir fahren ganz durch und parken an einem Wanderparkplatz. Wir gehen in den Wald hinein auf einen herrlichen Wanderweg in Richtung Hirschbach. Sanfter Waldboden lässt das Herz höher schlagen. Es tröpfelt ein wenig und wir kehren um. Am Auto angekommen, steigen wir ein und fahren nach Hause.

Ich denke: Endlich war ich in München. Wenn auch nicht in der bayrischen Hauptstadt. Aber so kann es gehen. Leicht ist etwas zu verwechseln. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Wirt beim Kaffeetrinken. Er meinte spitzbübisch: „Ich habe schon mit Auswärtigen gewettet, dass ich in 15 Minuten in München mit dem Fahrrad bin. Manche haben sich darauf eingelassen und ich habe die Wette gewonnen“. So kann man sich täuschen. Manchmal ist es eben so, dass zwei das gleiche sagen, aber nicht dasselbe meinen.

Es ist fast so wie in der Coronakrise. In letzter Zeit häufen sich die Diskussionen um Verschwörungstheorien. Ich habe gelesen, dass manche leugnen, dass es diesen Virus überhaupt geben würde. Und zum Thema „verwechseln“: Bei den vielen Tests wurden auch schon welche verwechselt bzw. positiv Getestete sind nicht mehr auffindbar. Das ist für mich auch im Nachhinein wirklich überraschend, was das Wort „München“ in mir ausgelöst hat.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 178 vom 09.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Zu den Siegern gehören wollen (Dieses Update ist in verkürzter Form im Gemeindebrief September/Oktober 2020 erschienen)

Am 17.06.2020 sitzen die Pfarrer der Regionalgruppe Hersbruck im Nikolaus-Selnecker-Haus zusammen. Überlegt wird, ob und wann wieder ein gemeinsamer Gemeindebrief inmitten der Coronakrise geschrieben werden soll. Ende August/Anfang September soll einer erscheinen. „Wer macht die Andacht auf der ersten Seite? Gerhard, Du hättest doch diese beim normalen Gemeindebrief Anfang Mai geschrieben. Wie wäre es also damit?“ „Ja, stimmt. Ich hatte zwei tolle Bilder von Schülerinnen aus der vierten Klasse zum Pfingstgeschehen und die Andacht war schon abgeschickt. Aber von diesem Thema kann ich jetzt erst einmal nicht mehr schreiben“. „Dir fällt schon etwas ein. Schließlich schreibst Du doch seit dem 16.03. jeden Tag etwas“. „O.k., mach ich. Irgendetwas wird mir schon einfallen“.

Aber welches Thema soll ich jetzt Ende August/Anfang September nehmen? „Nicht schon wieder etwas über Corona“ – war mein Stoßseufzer. Der „normale“ Gemeindebrief wäre Ende Juli erschienen. Ganz klar: Da ist das Thema „Urlaub, Ruhe, Erholung“ dran. Da hat die Bibel viel zu sagen. Erntedankfest ist auch erst im Oktober. Zu spät für ein Thema auf der ersten Seite.

Also nehme ich meinen Kalender her und denke über Tage Anfang September in meinem Leben nach. Da fallen mir Gedanken zum 09.09. ein. Und damit habe ich mein Thema. Denn ich erinnere mich an den 09.09.1966. Es ist ein Freitag. Ich stehe mit so zehn anderen Jungs in der Mitte unseres Dorfes Habelsee. Jeder hat sein Fahrrad in der Hand und es kommt zum Gespräch. Die anderen diskutieren lebhaft über eine Fußballmannschaft, den sie den „Club“ nennen. Ich habe keine Ahnung von wem sie reden. In mir ist mit meinen acht Jahren eine Fußballbegeisterung erst vor kurzem erwacht, weil ich die Fußballweltmeisterschaft in England verfolgt habe. Das sog. „Wembleytor“ ist heute noch in aller Munde bei Fußballkennern. Meine Freunde reden und reden über den „Club“ und wie toll dieser ist und dass er deutscher Rekordmeister ist. Diese Empathie hat mir gefallen. Im Stillen habe ich bei mir gedacht: Ich will jetzt auch ein Fan des besten deutschen Fußballvereins sein. Aber wie bekomme ich das heraus? Ich denke mir: „Na, das ist der, der morgen am höchsten gewinnt“.

Gespannt warte ich auf die Ergebnisse des Spieltages. Am Abend in der Sportschau passe ich genau auf und lese, dass der Karlsruher SC zu Hause gegen Bayern München mit 1 : 6 verloren hat. Keine andere Mannschaft hat an diesem Spieltag höher gewonnen. Also muss dieser Verein, der FC Bayern München, jetzt mein Verein sein so wie auch bei den anderen Freunden im Dorf. Einen Tag später habe ich stolz verkündet, dass ich jetzt auch wie sie Fan von Bayern München bin. Aber die anderen schauen mich mitleidenswert an. „Fan von Bayern München. Bist du blöd? Wie kannst du das denn sein? Diese Mannschaft ist doch erst einmal deutscher Meister geworden. Wir sind Fans vom 1. FC Nürnberg“. Da hatte ich es. Anscheinend hatte ich auf das falsche Pferd gesetzt.

Mir war damals wichtig, ganz vorne dabei zu sein. Ich wollte zu den Siegern gehören. Damals gewann übrigens Fortuna Düsseldorf bei Hannover 96 mit 2 : 0. Viel hätte also nicht gefehlt und ich wäre Fan von Fortuna Düsseldorf geworden. Offenbar hatte ich im Hinterkopf schon etwas geahnt von dem, was Paulus so ausdrückt: „Wisst ihr nicht: Die im Stadion laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge, jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen“ (1. Korinther 9, 24 – 25).

Und irgendwie wollte ich zu den absoluten Siegern gehören. Das Gelächter der anderen von damals höre ich manchmal heute noch in meinen Ohren. Heute allerdings lacht mich dafür keiner mehr aus.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 177 vom 08.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Mein erster Schultag

Heute ist Schulanfang. In normalen Zeiten feiern wir einen lebendigen Gottesdienst mit den Schulanfängern. Der ökumenische Gottesdienst zeichnet sich vor allem durch viele Kinderlieder aus, die mit Bewegungen unterstützt werden und in denen auch die Erwachsenen mitmachen. Da gibt es auch ein paar Klassiker wie z.B. „Volltreffer“, „Einfach spitze, dass du da bist“, „Bist du groß oder bist du klein“ oder auch „Gottes Liebe ist so wunderbar“.

In diesem Jahr ist alles anders. Mit der Maske singen wollten wir den Kindern nicht zumuten. Auch die Anzahl der Teilnehmer ist beschränkt. In normalen Zeiten erlebe ich, wie die Eltern sich Urlaub nehmen, die Großeltern und Verwandte dabei sind und hinterher geht es noch zum gemeinsamen Essen in eine Gastwirtschaft. Viele Großeltern geben auch noch eine Schultüte weiter. Einmal hat mir ein Erstklässer gesagt, dass er insgesamt vier Schultüten bekommen hat.

Meine Gedanken gehen zurück an meine eigene Einschulung. Solch ein großes Fest wie heutzutage war das damals nicht. Bei uns waren höchstens die Mütter dabei. Schulgottesdienst wurde zum Anfang gefeiert, aber mit Kirchenchorälen und Orgelspiel. Dann noch kurz in die Schule und das obligatorische Klassenfoto. Wir waren insgesamt 6 Kinder, im Jahr vorher waren es über zehn und im Jahr danach auch fast 10 Kinder. In drei Jahren wurden von 1963 – 1965 in einem Dorf wie Habelsee mit etwa 200 Einwohner fast 30 Kinder eingeschult. Nach heutigen Maßstäben unvorstellbar. Ich sage oft: „Wir waren sechs Kinder in einem Jahr, jetzt ist es ein Kind in sechs Jahren“.

Meine Gedanken gehen zurück an meine eigene Einschulung. Solch ein großes Fest wie heutzutage war das damals nicht. Bei uns waren höchstens die Mütter dabei. Schulgottesdienst wurde zum Anfang gefeiert, aber mit Kirchenchorälen und Orgelspiel. Dann noch kurz in die Schule und das obligatorische Klassenfoto. Wir waren insgesamt 6 Kinder, im Jahr vorher waren es über zehn und im Jahr danach auch fast 10 Kinder. In drei Jahren wurden von 1963 – 1965 in einem Dorf wie Habelsee mit etwa 200 Einwohner fast 30 Kinder eingeschult. Nach heutigen Maßstäben unvorstellbar. Ich sage oft: „Wir waren sechs Kinder in einem Jahr, jetzt sind es ein Kind in sechs Jahren“.

Ich schaue auf mein Klassenfoto. Es ist auch nach 56 Jahren gut zu erkennen, wer ich bin. Ich habe schon damals mit den „Pfunden kämpfen“ müssen. Was mir auch noch auffällt: Ich halte als Einziger die Schultüte so komisch. Vermutlich war das unbewusst. Ich erinnere mich nicht, dass ich das als „Rebell“ gemacht habe. Das war mir offenbar bequemer und ich habe nicht auf die anderen geschaut. Dann hätte ich das wohl bemerkt und vielleicht die Schultüte auch „richtig“ gehalten. Nach Schulgottesdienst, Klassenfoto und ein paar gute Worte für Mütter und Schulkinder, gingen wir nach Hause. Und dort wartete auf uns die Mitarbeit auf dem Hof. Ein „erster Schultag unplugged“ – wie es heute neuhochdeutsch genannt wird. Gemeinsames Festessen mit Verwandtschaft in einer Gastwirtschaft – undenkbar im Jahr 1964. Schule – das gehörte zum Leben dazu wie das Essen. Einschulung gab es im Vorübergehen. Ich freue mich, dass die Schulanfänger das heutzutage anders erleben.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 176 vom 07.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein Wassereimer als Lebensretter

Wir haben Anfang September. Wenn ich auf die Felder schaue, sehe ich kein Getreide mehr. Die Maisfelder stehen noch. Aber auch sie werden bald abgeerntet sein. Früher war das anders. Zum einen gab es vor rund 50 Jahren noch die sog. Sommergerste. Sie wurde hauptsächlich verkauft und mit ihr wurde Bier gebraucht. Auch den Sommerweizen sehe ich praktisch nicht mehr. Dieser wurde in meiner Kindheit fast immer erst im September gedroschen.

Diese zu Ende gehende Erntezeit erinnert mich an eine Krisensituation, an die ich mich selbst nicht mehr erinnere. Mein Vater hat sie mir aber oft genug erzählt. Ich war etwa 3 Jahre alt. Wir hatten zu dieser Zeit einen „Ködel & Böhm“ als Mähdrescher. Damals noch mit Sackabfüllung. Deshalb saß mein Vater vorne auf dem Fahrersitz und mein Opa oder ein Mann aus dem Dorf kümmerte sich darum, dass der volle Getreidesack an die Seite gestellt und ein neuer leerer Sack eingespannt wurde. In der Regel war die Plattform so groß, dass mein Vater einmal um das Feld dreschen konnte oder zumindest einmal in der Länge zum nächsten Ende. Als kleiner Junge war ich natürlich bei diesem Dreschen immer dabei. Am Ende des Feldes stand ein Gummiwagen und auf diesen wurden die vollen Säcke abgeladen.

Eines Tages fährt mein Vater mit dem Mähdrescher zum Wagen und sieht, dass sich dieser ein wenig bewegt hat. Offenbar war die Handbremse nicht richtig festgemacht bzw. der Bremsklotz lag nicht unter dem Reifen. Der Gummiwagen wurde aber von einem Eimer aufgehalten. In diesem war Wasser zum Kühlen der Getränke. Dann die Überraschung: Hinter dem Eimer lag ich und schlief. Irgendwie hatten die beiden Männer in der Hitze des „Erntegefechtes“ nicht gemerkt, dass ich nicht mit auf dem Mähdrescher war. Der Getreidewagen stand – Gott sei Dank – nicht allzu abschüssig. Dennoch weiß keiner, wie diese Situation ausgegangen wäre, wenn der Eimer nicht direkt vor mir gestanden hätte. Vielleicht wäre der Wagen auch über mich gerollt und hätte mich zerdrückt.

Im Nachhinein war es auch für meinen Vater natürlich – bei allem schlechtem Gewissen – ein Gottesgeschenk, dass ich überlebt habe. Denn das lese ich oft genug in der Zeitung, dass bei landwirtschaftlichen Arbeiten Kinder ums Leben kommen. Ich kann für mich heute nur die Worte aus dem Psalm 107 beten: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich“

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 175 vom 06.09.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Lektor Erich Söhnlein

In welcher Art von Organisation wollen wir arbeiten?

Die meisten von uns gehen einer Arbeit nach, die irgendwie in einem Betrieb, einer Firma stattfindet. Und sobald wir dort ankommen, sind wir plötzlich in einer gewissen Rolle: Wir sind Mitarbeiter, wir sind Kollegen, wir sind vielleicht auch Vorgesetzte oder sogar Eigentümer. All das ist die sogenannte Organisation. Und in einer Firma, in einer Organisation, geht es darum, dem Zweck des Unternehmens zu dienen. Das kann dann sein, zum Beispiel möglichst leckeres Brot zu backen, oder Kindern etwas beizubringen, oder Autoteile herzustellen (in meinem Fall). Das kann aber auch ein Verein oder eine Kirchengemeinde sein.

Viele Unternehmen sind mittlerweile so groß, dass nicht einmal mehr der Chef in der Lage ist, alle Details genau zu kennen. Ab einer gewissen Größe kommt es zu einer Spezialisierung, zu einer Teilung der Aufgaben und zur Bildung von Abteilungen. Abteilungen sind genau das, was das Wort sagt: Unterteilung eines vormals zusammenhängenden.

Viele von Euch wissen vielleicht, dass ich mich derzeit beruflich mit dem Bilden von Organisationen beschäftige, und man kann dazu viele kluge Artikel und Bücher lesen, z.B. von Peter Drucker, Frederick Taylor oder Alfred Sloan, wie man das am sinnvollsten macht.

Wenn das Geschäft wächst, dann gibt dort viele gute Tipps, wie man sinnvoll unterteilt, Leute nach harten Kriterien als Leiter aussucht, auch gerne mal einen Spezialisten oder eine erfahrene Führungskraft von einem Konkurrenten abwirbt. Wichtig ist bei allem, was man an- und umbaut an der Organisation, dass es danach besser läuft, als vorher.

Ein besonderes Buch, dass ich allen Chefs ans Herz lege, ist die Bibel. Vor allem die Apostelgeschichte. Dort wird mit sehr vielen Details beschrieben, wie der engste Kreis um Jesus, die Zwölf, wie sie dort heißen, die erste Gemeinde gründen, missionieren, Gemeindewachstum begleiten, soziale Dienste ins Leben rufen und mit Konflikten innerhalb und außerhalb der Gemeinde umgehen müssen.

Klar, die gesamte Bibel ist voller guter und schlechter Beispiele für Führungskräfte. Die Apostelgeschichte hat jedoch den Charme, dass wir dort Menschen finden, die aus Lebenssituationen kommen, die wir heute auch so kennen, mit Problemen und Lösungen, die uns näher erscheinen, als manch andere Stelle in der Bibel.

Im Kapitel 6 finden wir so eine Situation:

Die Gemeinde in Jerusalem war in kurzer Zeit stark gewachsen. Immer noch lag an den 12 Gründungs-Aposteln, die Gemeinde zu leiten, zu predigen, Gottesdienste zu halten und auch die Sozialdienste zu koordinieren.

Bei ihnen lag praktisch alles, um das man sich in einer Kirchengemeinde kümmern musste, möglicherweise noch etliches mehr, da die Gemeinde im Wachstum war.

Jedes neue Gemeindeglied wollte eingebunden werden, es mussten ständig neue, größere Räume für Versammlungen gefunden werden, und im Zentrum stand der Auftrag Jesu, seine frohe Botschaft zu erzählen, dass möglichst viele Menschen zum Glauben kommen. Menschen, egal, wer sie sind.

Gut, in den allermeisten Fällen waren das Juden. Eine gewisse Anzahl der neuen Mitglieder waren hellenistische Juden, Menschen also, die aus dem griechischen Kulturkreis kamen, meist griechisch sprachen und sich auch anders benahmen. Und einer der karitativen Dienste in der Gemeinde war, eine Art Tafel, eine Versorgung der Witwen mit dem Nötigsten. Das war vor allem für Witwen etwas sehr wichtiges, weil sie oft nach dem Tod des Mannes komplett ohne Versorgung dastanden.

Es war den Aposteln wichtig, dass innerhalb der Gemeinde echte Christusliebe wirklich praktiziert wird, und allen Witwen so gut es ging geholfen wird. Aus anderen Kapiteln der Apostelgeschichte wissen wir, dass die Gemeinde das Teilen der Güter untereinander sehr ernst nahm.

Nun aber passierte etwas eigentlich vollkommen normales: Die Apostel waren zwar zu zwölft, aber halt auch nur zwölf, und es kam der Punkt, an dem auch zu zwölft nicht mehr alles mit gleicher Qualität zu schaffen ist. Ausgerechnet die Witwen auf Seiten der griechisch sprachigen Juden wurden vergessen bei der täglichen Versorgung! Schnell kam es Murren, dass es wohl Gemeindemitglieder erster und zweiter Klasse gäbe.

Die Zwölf mussten handeln. Sie hatten mehrere Möglichkeiten.

So hätten sie zum Beispiel das Murren ignorieren können. Bei einer Gemeinde im Wachstum kann sowas schon mal vorkommen und irgendwie hätte sich da schon einer drum gekümmert. Vielleicht noch aus der Ferne zugucken und erst reagieren, wenn es nicht mehr anders geht. Aussitzen nennt man das heute.

Eine andere Möglichkeit wäre auch gewesen, zwar einzugestehen, dass manches gerade nicht rund läuft, den Fehler aber eher außerhalb der eigenen Organisation zu suchen, vielleicht bei den griechischen Juden selbst, die sich da an die eigene Nase fassen sollten und proaktiv die eigenen Witwen besser versorgen sollten. Oder es liegt einfach daran, dass es eigentlich zu viele Witwen bei den griechischen Juden gibt. Heute ist das eine Art der Kommunikation, die nichts ändert, aber die Unternehmensleitung gut aussehen lässt. Ja, die 12 sind in gewisser Weise Unternehmer. Die Strategie und der Auftrag kommt von Gott.

Eine andere Möglichkeit wäre auch gewesen, zwar einzugestehen, dass manches gerade nicht rund läuft, den Fehler aber eher außerhalb der eigenen Organisation zu suchen, vielleicht bei den griechischen Juden selbst, die sich da an die eigene Nase fassen sollten und proaktiv die eigenen Witwen besser versorgen sollten. Oder es liegt einfach daran, dass es eigentlich zu viele Witwen bei den griechischen Juden gibt. Heute ist das eine Art der Kommunikation, die nichts ändert, aber die Unternehmensleitung gut aussehen lässt. Ja, die 12 sind in gewisser Weise Unternehmer. Die Strategie und der Auftrag kommt von Gott.

Oder, sie hätten Berater für Gemeindebau rufen können, die dann die Gemeinde mal umstrukturiert hätten, die Störer aus der Gemeinde entfernt hätten und zugleich Führungskräfte aus anderen Gemeinden einstellen können, ein paar Pharisäer. Die kannten sich schließlich sehr gut mit dem Teilen aus (vgl. Matth. 23).

Die Zwölf hätten als harte Manager reagieren können und recht schnell die erste Gemeinde in eine toxische Organisation umkippen können. Keine echte Liebe mehr, nur noch kalte Effizienz. Kein Verzeihen mehr, nur noch abstreiten und aussitzen von Verantwortung.

Und hier setzt das Lehrstück für heutige Führungskräfte an. Die 12 tun genau das richtige!

Die 12 stellen sich vor die versammelte Gemeinde und sprechen offen an, was in der Gemeinde vor sich geht.

Sie sprechen aber auch offen an, was ihnen wichtig ist, nämlich die Verbreitung des Wortes. Die Versorgung der Witwen ist es auch, aber der Auftrag der Wortverkündung darf darunter nicht leiden. Sie erklären klar, dass sie als 12er Leitungsteam sich auf das Wort konzentrieren wollen. Einfach, weil sie das am besten können.

Die Versorgung der Witwen soll in kompetentere Hände gelegt werden, und dafür darf die Versammlung 7 Männer bestimmen, die voll Geist und Weisheit sind sowie einen guten Ruf haben. Männer also, denen man dieses Amt zutraut. Leute, die durch ihre Art auch weitere Menschen anziehen, bei der neuen Aufgabe mitzumachen. Männer, die den Auftrag Jesu verstanden haben, die dienen wollen und nicht einfach ein prominentes Amt haben wollen. Männer, die in der Gemeinde gewachsen sind, die man kennt. Männer, die der Gemeinde und Gott dienen wollen.

Und man findet die 7 Männer, den Namen nach wohl alle selbst griechische Juden. Einer davon ist Stephanus, der später gesteinigt wird.

Und ganz wichtig: Es bleibt nicht dabei, die neue Organisation ernannt zu haben. Sie wird noch dem Gebet und dem Segen Gottes unterstellt. Erst dann kann sie wirken.

Die Rechnung geht auf! Die Gemeinde wächst schneller als vorher und das Problem war gelöst.

In welcher Organisation wollen wir sein? In einer toxischen? Jeden Morgen gehen wir mit Magenschmerzen hin und sind froh, wenn der Tag um ist. Die Zahlen passen, aber die Menschen, egal ob Mitarbeiter oder Führungskräfte brennen innerlich aus, der Urlaub wird zur Flucht aus der Organisation.

Oder träumen wir nicht von einer Organisation, wie sie Kraft des Heiligen Geistes und mit Jesus in der Mitte damals in Jerusalem entstanden ist? Tätige Liebe im Auftrag, aber auch im Miteinander. Liebe in der Wahrnehmung der Menschen, ihrer Unterschiedlichkeit und ihrer Probleme. Gemeinsames Gebet und Segnung der gefundene Lösung. Die Organisation als lebendiger Leib Christi.

Ein Traum? Etwas, das wir nur, wenn überhaupt im geschützten Biotop einer Kirche vorfinden? Nein, mitnichten! Es gibt sie tatsächlich, diese durch Liebe gewirkten Organisationen, heute, außerhalb von Kirchen oder ähnlichem. Es gibt sie, sogar mit großem geschäftlichen Erfolg.

Vielleicht kann ich in einem weiteren Update noch etwas mehr dazu schrieben. Seid gespannt.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 174 vom 05.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gut oder Böse?

„Einer für einen – alle für einen“. Das war der Leitsatz der drei Musketiere. Ich habe davon gestern geschrieben. So schön dieser Satz klingt und auch richtig ist. Als Erwachsener habe ich mich vor allem als Pfarrer in Alerheim von 1988 – 1996 ein bisschen mehr mit dem 30-jährigen Krieg befasst. Irgendwie hat mir die Rolle von Kardinal Richelieu als der böse Schurke nicht gefallen. Die Rollen sind in diesem Film zu klar und eindeutig verteilt und ich wollte die geschichtlichen Ereignisse hinter diesen Film näher anschauen.

Kardinal Richelieu war Premierminister mitten in diesen grausamen Krieg des 17. Jahrhunderts. Weil der damalige französische König Ludwig XIII. wohl ein eher schwacher Regent war, musste sich Richelieu um die Stärkung der Zentralmacht kümmern. Diese lag im politischen Kampf mit den Habsburgern und damit mit dem „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“. Die Fehde zwischen Frankreich und Deutschland reicht also weit zurück. Der Kardinal war ein kluger Staatsmann und sehr guter Stratege. Als die Schweden die Schlacht bei Nördlingen am 5./6. September 1634 verloren hatten, erkannte Richelieu die Gefahr für sein Land. Als katholischer Kardinal schickt er militärische Truppen gegen den Papst und den katholisch geprägten Habsburgern.

Spätestens an dieser Stelle wird sichtbar, dass selbst der 30-jährige Krieg kein „Konfessionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ war. Allerdings wird die Religion oft missbraucht, um Emotionen und Ängste zu schüren (siehe mein Update 141 vom 03.08.2020). Kardinal Richelieu war also keinesfalls der Böse, wie er im Film „Die drei Musketiere“ hingestellt wird. Er hat seine Verantwortung als Ministerpräsident wahrgenommen und klug politisch gehandelt. Er war auch nicht der finstere Gegenspieler des Königs. Das erkenne ich auch daran, dass er von König Ludwig XIII. eine eigene militärische Leibwache erhalten hat. Natürlich hat er politische Gegenspieler ausgeschaltet. Er hat die Hugenotten bekämpft, die in Frankreich zu der Zeit einen Art „Staat im Staate“ hatten.

Diese Seite von Kardinal Richelieu will ich nicht leugnen. Auf der anderen Seite ist es diesem katholischen Staatsmann zu verdanken, dass nicht ganz Europa und vor allem auch nicht ganz Deutschland wieder rekatholisiert wurde. Vielleicht denken Sie daran, wenn der Film „Die drei Musketiere“ wieder einmal im Fernsehen läuft. Und wie bin ich auf diese Impulse gekommen? Am 09.09.1585 und damit fast genau heute vor 435 Jahren ist dieser Staatsmann geboren und hat in diesem Jahr ein Jubiläumsjahr. War er gut? War er böse?

Und warum denke ich jetzt an Bil Gates? Vor fünf Jahren hat er eine große Stiftung gegründet. Sein Ziel ist es, dass vor allem Kinder in ärmeren Ländern durch Impfungen geholfen werden soll, damit sie keine Krankheiten bekommen sollen, die für sie lebensgefährlich sind. Jetzt wurde er für viele zum großen Feindbild. Die Coronaepidemie ist nur ein Fake, damit seine Sichtweise der Welt sich durchsetzen kann. Mit dem Forschen nach einem Impfstoff gegen den Virus hat er die Möglichkeit, diese Welt „zu erobern“ und eine Art Weltmacht zu installieren. Ich habe diese Ansicht auch von einigen Christen gehört. Es wird auf das Interview mit ihm in der Tagesschau im April dieses Jahres verwiesen. Ich habe es mir angehört. Diese Behauptung über ihn finde ich darin nicht bestätigt. Ist er gut? Ist er böse. Auch hier gilt vermutlich das Wort von Jesus aus dem Matthäusevangelium: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7, 1).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 173 vom 04.09.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit von Pfr. Gerhard Metzger

Einer für alle – Alle für einen

Meine Fernsehzeit als Kind war sehr überschaubar. Es gab nur drei Programme. Im Sommer gab es für Fernsehschauen kaum Zeit. Die Arbeit auf dem Hof dauerte oft bis in die Nacht hinein. Und wenn wir Kinder in unserem Dorf Zeit hatten, dann spielten wir Fußball oder gingen zum Baden in den nahegelegenen Feuerlöschteich. Wenn sich die Familie vor allem im Herbst und Winter vor dem Fernseher versammelte, dann musste geregelt werden, welche Sendung geschaut werden soll. In Zeiten von Mediatheken, Smartphones und Netflix ist das kaum mehr nachvollziehbar.

Bei uns waren vor allem Quizsendungen angesagt wie z.B. „Alles oder nichts“ oder auch Familiensendungen wie z.B. „Einer wird gewinnen“ mit H.J. Kulenkampf, „Der goldene Schuss“ mit Lou van Burg und auch „Vergißmeinicht“ mit Peter Frankenfeld. Diese Sendung hatte noch den großen Vorteil, dass sie pädagogisch ausgerichtet war. Es wurden nämlich die Postleitzahlen eingeführt und die Bevölkerung sollte daran erinnert werden, bei Briefen die Postleitzahl nicht zu vergessen. Diese Umstellung auf die Postleitzahlen fiel vielen Menschen in Deutschland sehr schwer. Gewohntes und Traditionelles wird eben nur ungern verändert.

Neben den klassischen Filmserien wie „Flipper“, „Fury“, „Lassie“ usw. gab es nur wenige Filme, die wir Kinder anschauen durften. In Erinnerung bleiben mir Abenteuerfilme, die mit Geschichte viel zu tun hatten. Darunter fallen z.B. „Ivanhoe“ oder auch „Robin Hood“. Auch wenn bei beiden der Wahrheitsgehalt durchaus hinterfragbar war, so haben sich bei mir dadurch Bilder vom den „Kreuzzügen“ eingeprägt.

Ein Film hat mich aber besonders bis heute beeindruckt: „Die drei Musketiere“. Dieser Roman von Alexandre Dumas über D`Artagnan und seinen drei Freunden Athos, Porthos und Aramis zeigt in beeindruckender Art und Weise, was das Miteinander im Kampf gegen den Feind bewirken kann. Mit ihrer Freundschaft schaffen sie es, den französischen König Ludwig XIII. vor dem Umsturz durch Kardinal Richelieu zu retten. Am Schluss gewinnt D´Artagnan die Frau seiner Liebe und wird in den Kreis der Musketiere aufgenommen. Es kommt zum wichtigen Happy End. Die Handlung selbst ist durchaus spektakulär und aufregend. Die Einzelheiten kann sich kaum jemand merken.

Nicht zu vergessen ist aber der Leitsatz der Musketiere: „Einer für alle – Alle für einen“. Wie oft habe ich ihn seither schon gehört und selbst angewandt. Beim Sport, in der Politik, beim Umsetzen einer neuen Idee – dieses Motto taugt für viele Gelegenheiten. Auch in der jetzigen Coronapandemie habe ich ihn schon gehört. Für ein erfolgreiches Bestehen in dieser Krise ist er auch notwendig. Nur im Miteinander kann diese Krise weltweit gelöst werden. Ich bin gespannt, ob das in unserem Land und weltweit gelingen wird. Ich denke da auch an die Menschen in den ärmsten Ländern dieser Welt. Werden sie die nötigen Hilfe erfahren? Jede Sache hat eben seine zwei Seiten. Und das ist auch bei diesem Film „Die drei Musketiere“ so. Aber davon morgen mehr. Denn es hat schon seinen bestimmten Grund, warum ich dieses Update mit diesem Titel gewählt habe.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 172 vom 03.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Bernsteinhexe

In dieser Coronakrise gab es sehr viele Hilfeleistungen. Ganz am Anfang Mitte März wurden Helfer/-innen zu vielen Gelegenheiten gesucht. Viele vor allem ältere Menschen blieben zu Hause und trauten sich nicht mehr auf die Straße. Einkaufsmöglichkeiten wurden von Vereinen und Privatmenschen angeboten. Fast jeden Tag stand ein Bericht von Menschen in der Zeitung, die Masken genäht haben. Ein Verantwortlicher der Diakonie hat mir gesagt: „Wir haben viele Helfer, aber wir haben noch wenige, die solch ein Angebot in Anspruch nehmen. Aber das ist immerhin besser als umgekehrt“. Es ist manchmal eben nicht so leicht, helfen zu wollen. Und manchmal sind Helfer/-innen sogar frustriert, wenn ihre Hilfsangeboten nicht angenommen werden. Die Geschichte lehrt, dass es noch schlimmer kommen kann.

Ein Beispiel dafür ist die sog. „Bernsteinhexe von Usedom“. Ihre Geschichte ist der wichtigste Roman des Schriftstellers und Pfarrers Wilhelm Meinhold (1797 – 1851). Darin wir die Geschichte der „Pfarrerstochter zu Coserow“ erzählt. Meine Frau und ich waren nach acht Jahren wieder einmal auf dieser besonderen Insel an der Ostsee. Mitten auf der größten Erhebung in der Mitte der Insel, dem Streckelsberg (mit 58 m!!!) finden sich Spuren dieser Frau.

Im dreißig-jährigen Krieg brachten die kaiserlichen Truppen viel Leid und Elend über die Menschen auf Usedom. Der Koserower Pfarrer Abraham Schweidler und seine Tochter Maria versuchen die Not zu lindern. Sie verkaufen Bernstein, der auf dem Streckelsberg gefunden wurde. Vom Geld erwerben sie Brot für die hungernden Koserower. Maria wird vom Amtshauptmann Appelmann begehrt und bedrängt. Die 15-Jährige weist ihn ab. Der Amtshauptmann ist verletzt und versucht das Mädchen zu schädigen. Er nimmt den unerklärlichen Geldbesitz Marias her, um sie der Hexerei zu bezichtigen. Sie erleidet unter den Ritualen der Hexenverfolgung Folter und Qualen. Am 30. August 1630 und damit genau fast heute vor 390 Jahren wird sie zum Scheiterhaufen geführt. Da kommt Graf Rüdiger von Nienkerken, befreit sie aus ihrer Not und nimmt sie zur Frau.

Dieses Schild steht auf dem Streckelsberg zwischen Koserow und Kölpinsee und lehrt die Geschichte in Kurzfassung.

Ich habe bei unserem diesjährigen Besuch bei Freunden in Koserow nachgefragt, ob diese Geschichte wirklich passiert ist. Die Freunde antworteten: „Vermutlich nicht so wie beschrieben. Aber sie hat sicherlich einen Wahrheitskern“. Immerhin lehrt sie uns, wie „Gutes tun wollen“ ins Gegenteil schlagen kann. Mir ist es deshalb wichtig zu erkennen, dass auch bei einem guten Motiv nicht immer das gute Handeln gewürdigt wird. 

Wenn Gott will, steht (noch) manches still, Update 171 vom 02.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott

Es war wohl das am meisten gespielte Lied in kirchlichen Kreisen am Anfang der Coronakrise. Immer und immer habe ich es gehört. Meist ist es am Schluss eines Gottesdienstes eingespielt oder auch von höchstens zwei Leuten gesungen worden. Offenbar drückt dieses Lied eine Stimmungslage und ein Bitte um Bewahrung von Gott in Notzeiten aus wie kaum ein anderes Lied. „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“. Es steht unter der Nr. 171 im evangelischen Gesangbuch und deshalb wird es heute erwähnt. Dieses Lied spricht in einer besonderen Art und Weise den Segen Gottes an. Die Bilder dieses Liedes sehe ich konkret vor meinen Augen. Ich spüre, wie dieses Lied über die Völker dieser Welt den Schutz Gottes herbeisehnt.

Im letzten Vers wird die Bitte um den Hl. Geist ausgesprochen. Nur er vermag es, dass Leben verheißen wird und ich getrost meinen eigenen Weg gehen kann. Ich zitiere aus einer Predigt vom 29.03.2020: „Ich glaube, dass die Menschheit Gottes guten Geist gebrauchen kann, um in dieser schweren Krise den Kopf und vielleicht noch viel mehr das Herz nicht zu verlieren. Um solidarisch zu bleiben und barmherzig“.

Dieses Lied stammt aus Argentinien und wurde durch den Kirchentag von Eugen Eckert auch bei uns bekannt gemacht. Im neuen Gesangbuch stehen ja vermehrt solche ökumenische Lieder aus aller Welt, z.B. EG 600: „Singt Gott, unserm Herrn“. Das erinnert mich daran, dass ich mit Christinnen und Christen aus aller Welt verbunden bin. Solch ein Lied hilft mir, den Blick zu weiten und wahrzunehmen, dass überall auf dieser Welt Christus verkündigt wird. Christen in anderen Erdteilen haben eben eine andere Sprache und andere Melodien, um ihren Glauben weiterzugeben und um Gott zu preisen. Und deshalb soll jetzt der Blick nur noch auf den Text dieses Liedes gehen:

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen. Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns vor allem Bösen. Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, sei in uns, uns zu erlösen.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns durch deinen Segen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen.