Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
So sieht man sich wieder
Heute ist der 06.02.2021. Heute vor genau sieben Jahre, am 06.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: „Liebe deinen Nächstgen wie dich selbst“, so tut ihr recht“ (Jakobus 2, 8).
Es ist ein Donnerstag. Es ist Nachmittag gegen 16.00 Uhr. Ich sitze auf einen Stuhl am Bett von Simon. Meine Frau ist gerade einkaufen. Meine Gedanken gehen zurück an einen Einkauf mit Simon bei der NORMA in Altensittenbach. Ich habe ihn oft mitgenommen. Er war in Bewegung und freute sich an den Menschen und an der Landschaft. Es war in einer Zeit, in der er noch sehr gut an der Hand laufen konnte. Ich gehe mit ihm in das Innere des Gebäudes. Mit der rechten Hand fahre ich den Einkaufswagen. Mit der linken Hand halte ich meinen Sohn.
Plötzlich von einer Sekunde auf die andere stöhnt Simon auf und fällt zu Boden. Ich wusste sofort: Das ist ein epileptischer Anfall. Ich konnte ihn immerhin noch ein wenig am Boden auffangen. Leblos lag er da. Ich hatte ähnliche Situationen schon mehrmals erlebt. Etwas ein bis zweimal im Monat hatte er diesen Krampf. Aber so ohne Vorankündigung habe ich es noch nicht erlebt gehabt. Hätte ich Vorzeichen gesehen, hätte ich ihn nicht mitgenommen. Nur 2 m entfernt von mir steht ein Mann und geht sofort auf mich zu. Er beugt sich nach unten und ich sehe sofort, dass er sich auskennt. Noch überraschender für mich waren seine Worte: „Das ist doch der Simon“. Nach der Rückfrage von mir, erklärt er, dass er in Schönberg in der Lebenshilfe arbeitet. Wir bringen Simon gemeinsam nach Hause. Ich bedanke mich noch einmal und er verabschiedet sich.
Viele Jahre habe ich ihn nicht mehr gesehen. Dann im Oktober 2020 erlebe ich eine Überraschung. Vor einer Beerdigung kommt ein Mann auf mich zu mit den Worten: „Erkennen Sie mich?“ Ich musste verneinen zumal wir beide einen Nasen-Mund-Schutz trugen. „Ich habe Ihnen geholfen als sie mit ihrem Sohn Simon in der NORMA waren“. Mit diesen Worten war alles bei mir wieder präsent. „Wie geht es Simon?“ war seine nächste Frage. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Simon schon über sechs Jahre tot ist. Natürlich fanden wir einen kleinen Plausch über diese gemeinsame Erinnerung vor vielen Jahren. Manches bleibt in den Gedanken und geht nicht verloren.