Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Der Ratzefummel und schon ist alles weg
Die Älteren unter den Leser/-innen kennen das vermutlich noch aus eigener Erfahrung. Mit der Schultasche auf den Rücken zur Schule zu gehen und einen besonderen Schatz zu tragen: die Schiefertafel. Bei mir war das noch in der ersten Klasse so im Schuljahr 1964/1965. Diese Schiefertafel war einseitig zu beschreiben. In der Schule konnte der Lehrer sehr gut nachprüfen, was darauf geschrieben worden ist. Schwierig wurde es dann bei den Hausaufgaben. Wer einen Moment nicht aufgepasst hat, der hat das Geschriebene aus Versehen verwischt. Manchmal kam auch der kleine Bruder oder die kleine Schwester und hat diese „Waffe“ gezogen: Schnell drüber zu wischen uns so den anderen zu ärgern. Konflikte waren da also vorprogrammiert. Ab 1966 wurden in unserer Grundschule im Dorf Plastiktafeln verwendet. Die waren billiger, aber der Vorgang und der Ärger blieben.
Ab der zweiten Klasse wurde es spannend. Wer es zu einer gewissen Leistung gebracht hatte, der durfte in das Heft schreiben. Ich war mächtig stolz, als mir dieser „Aufstieg“ gelang. Am Anfang geschah das mit dem Bleistift. Das hat einen besonders großen Vorteil. Bruder oder Schwester konnten nicht mit einem Handstrich das Geschriebene so einfach wie bei der Schiefertafel wegwischen. Der zweite große Vorteil gilt bis heute: Wenn etwas falsch war, dann konnte ich den „Ratzefummel“ (Radiergummi) nehmen und den falschen Buchstaben oder das verkehrt geschriebenen Wort wegradieren. Und wie durch Zauberhand war das Falsche, das Unliebsame, das Gefährlich etc. wegradiert. Irgendwann einmal später habe ich gelernt, wie das funktioniert und dass das mit dem Kautschuk zusammenhängt. Die nächste Qualitätsstufe ist dann das Schreiben mit dem Füller gewesen. Ich selbst habe das nicht als „Leistungssprung“ erlebt, weil es zu meiner Schulzeit noch keinen „Tintenkiller“ gab, das Falsche einfach durchgestrichen werden musste und oft ein etwas chaotisches Schriftbild hinterließ. Lange Zeit habe ich beim Lösen von „Kreuzworträtseln“ einen Bleistift genommen, um damit Verbesserungen vorzunehmen. Dann habe ich irgendwo gelesen, dass nur Feiglinge bei dieser Tätigkeit einen Bleistift nehmen und Selbstbewusste immer einen Füller oder einen Kugelschreiber. Ein Feigling wollte ich nicht sein und deshalb nehme ich heutzutage bei Kreuzworträtseln nur den Kugelschreiber. Manchmal sieht es danach aber oft chaotisch aus.
„Der Ratzefummel wird 200 Jahre alt“ – so stand es vor ein paar Monaten in unserer Zeitung. Und dann wird berichtet, wie wunderhaft das damals bestaunt wurde, dass mit „Radieren“ das Falsche weg war und Verbesserungen vorgenommen werden konnten. Ich habe damals sofort an den Coronavirus gedacht. Das wäre auch mein Wunsch. Irgendjemand erfindet ein Werkzeug und „schnell darüber gehuscht“ wäre dieser Virus weg. Wer weiß, vielleicht gelingt ja solch oder eine ähnliche Erfindung in den nächsten Wochen oder Monaten.
Einen zweiten Gedanken hatte ich damals auch noch: Bei Gott ist es so mit meiner Schuld und mit meinen Gewissensbissen. Ich kann zu ihm kommen und das Kreuz von Jesus wirkt wie ein Radiergummi. Er vergibt mir durch den Tod von Jesus meine Sünde und Schuld. Es ist nichts mehr da, was mich noch belasten könnte. In manchen Gesprächen mit Menschen denke ich mir: „Du bräuchtest jetzt Jesus und seine Vergebung“. Dann könntest du das ans Kreuz heften. Damit sind nicht alle Lebensprobleme gelöst. Aber ich weiß, dass dieser Jesus am Kreuz meine Schuld vergibt.