Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
„In diesem Jahr fällt die Beichte aus„. Diese Überschrift in den Nürnberger Nachrichten hat vor zwei Wochen mein Interesse geweckt. Was war die Botschaft? Viele katholische Christen haben die Tradition, vor allem in der Karwoche zur sog. Ohrenbeichte zu gehen. Der Priester sitzt im Beichtstuhl und nimmt den Gläubigen die persönliche Beichte ab. Seit dem vierten Laterankonzil von 1215 wurde diese Beichtform unter Papst Innozenz III. für alle zur Pflicht. Manche evangelische Christen sind der Meinung, dass diese Art der Beichte eine rein katholische Sitte ist. Aber weit gefehlt! Auch für Martin Luther war diese Form sehr wichtig und er hat diese nicht nur als Augustinermönch praktiziert. Im Kleinen Katechismus betont er das ausdrücklich. „So kannst du zum Beichtiger sprechen. Ich bitte, meine Beichte zu hören und mir die Vergebung zuzusprechen um Gottes willen„. Luther war ein Anhänger dieser Beichtform. Erst die Zeit des Rationalismus des 18. Jahrhunderts hat es geschafft, dass Evangelische fast nur die sog. Allgemeine Beichte kennen. In etlichen evangelischen Kirchen sind bis heute Beichtstühle zu finden wie z.B. in der Stadtkirche Hersbruck oder auch in Luthers Predigerkirche, der Stadtkirche in Wittenberg. Ich selbst habe als Kind und Jugendlicher in meinem Dorf in Mittelfranken die Tradition erfahren, dass zweimal im Jahr Beichte und Abendmahl gefeiert wurde. Öfters war nicht nötig und öfters wäre auch „komisch“ gewesen. Ich erinnere mich an ein Gespräch als Jugendlicher mit einem Erwachsenen, der mir gesagt hat: „In diesem Jahr war ich nur einmal bei Beichte- und Abendmahl. Ich habe nicht so viel gesündigt“. Diesen Satz habe ich bis heute im Kopf. Beichte als quantitative Zählung? Das war für mich schon damals unbegreiflich. Als Pfarrer kann ich mich an etliche persönliche Beichtgespräch erinnern, bei denen Menschen ihr Herz ausgeschüttet haben. Manche konnten dann loslassen und in Frieden sterben. Ich selbst habe diese Privatbeichte geübt und es hat mir immer gut getan. Dass eine solche Beichtform unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit steht, erleichtert das Gespräch. Nicht einmal vor Gericht darf der „Beichtvater“ darüber Aussagen machen, was ihm durchaus in Gewissensnöte bringen kann.
Warum ich das heute schreibe? Heute ist der Samstag vor der Konfirmation. Dieses Fest findet in diesem Jahr nicht am Sonntag nach Ostern statt. Aber meine Gedanken gehen zum Beicht- und Abendmahlsgottesdienst, der heute um 17.00 Uhr hätte stattfinden sollen. Das Thema selbst wird bei einem Treffen während der Konfirmandenzeit an einem Nachmittag besprochen. Dazu kommt noch eine ganze Einheit zum Thema „Jesus vergibt mir meine Schuld“ (siehe Update Nr. 26 zum Karfreitag) an einem Samstag Vormittag. Aber können das Jugendliche verstehen? Habe ich das mit 14 Jahren verstanden? Ich bin da sehr barmherzig und versuche den Jugendlichen das u.a. mit einer besonderen Schreibweise zu vermitteln. Das Wort Beichte kann nämlich auch so geschrieben werden: Be – ich – te. Da wird schnell ein Aspekt der Beichte deutlich: Ich bete. Im Evang. Gesangbuch unter Nr. 884 ist das sehr schön beschrieben: „Die innere Beichte. Im eigenen Beten setzen sich Christen mit dem Anspruch Gottes auseinander und nehmen die eigene Schuld wahr… Sie machen sich bewusst, dass „vor den Engeln Gottes Freude sein wird über einen Sünder, der Buße tut“ (Lukas 15, 10). In der Erinnerung an Gottes Liebe können die Betenden zu der Gewissheit gelangen, dass Gott sie von ihrer Schuld lossagt„. Also auch hier gilt wie schon zum Osterfest: Die Beichte fällt nicht aus. In dieser Coronakrise können andere Formen neu entdeckt werden. Wichtig ist nur: Gott stellt immer wieder die Beziehung zu mir her, wenn diese gestört ist. Er freut sich, wenn Menschen durch Gebet und Beichte diese Beziehung neu leben. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit“ (1. Johannes 1, 9).