Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Der Jünger, den Jesus lieb hatte
Für Martin Luther war das Johannesevangelium das wichtigste überhaupt. Er liebte es darin zu lesen, zu lehren und zu predigen. Das hat einen einfachen Grund. Das Johannesevangelium ist nicht „historisch“ und „chronologisch“ angeordnet. Es geht nicht direkt von der Geburt von Jesus zu Kreuz und Auferstehung. Eine Geburtsgeschichte im üblichen Sinn wird nicht erzählt. Es beginnt sofort mit einer Verkündigung dessen, was Gott in Jesus in die Welt gebracht hat. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (Jo 1, 14). Es geht sofort darum, wer Jesus für mich und für die gesamte Welt ist. Er ist der fleischgewordene Gottessohn. Wörtlich heißt es: „Er zeltete unter uns“. Damit wird deutlich, dass Jesus hier auf dieser Erde immer unterwegs war. Er hat keine „bleibende Stätte, wo er sein Haupt niederlegen“ kann (Lukas 9, 58b).
Jesus ist unterwegs zu und mit den Menschen. Der Autor dieser neutestamentlichen Schrift wird nicht mit Namen genannt. Aber er steht in einer besonderen Verbindung zu seinem „Rabbi“. Er ist der sog. „Lieblingsjünger“. So wird er z.B. im cap. 21, 20 bezeichnet: „Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus liebhatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen hatte…“. Dieser Vers spielt darauf an, dass in Johannes 13, 23 und 25 steht: „Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus liebhatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu…Da lehnte er sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?“
Dieser Jünger wird mit Johannes identifiziert. In keinem anderen Evangelium und in den drei Johannesbriefen wird die Liebe Gottes so stark thematisiert. Manche fragen: Hat Jesus nur diesen Jünger lieb und die anderen nicht? Ich denke, dass das so nicht gesagt werden kann. Es ist umgekehrt: Kein anderer Jünger hat diese einzigartige Liebe Gottes durch Jesus so begreifen und annehmen können. Er legt sich an die Brust von Jesus wie ein kleines Kind. In allen Zeichnungen und Gemälden wird diese kleine Episode so gemalt, dass Johannes seinen Kopf an die Brust von Jesus anlehnt. Besser als vom „Lieblingsjünger“ zu reden wäre vielleicht vom Jünger zu sprechen, der wie kein anderer „die Liebe Jesu erwidert hat“. Und ehrlich? Ich frage mich oft genug, ob ich dazu in der Lage bin!
Heute am 27.12. ist der Gedenktag des Apostels Johannes. Es ist ein Tag, sich über die Liebe dieses Jüngers zu Jesus besonders Gedanken machen zu können. „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden“ (1. Johannesbrief 4, 9 – 10).
Der Kommentar ist gerade Balsam für meine Seele. Ich möchte gerne von Johannes lernen, aus der Kopflastigkeit heraus zu kommen und in die erfühlbare Vertrauensbeziehung zu Jesus zu gehen.
Danke Gerhard!
Liebe Grüße, Christina