Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 63 vom 17.05.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Situation, heute von Erich Söhnlein zum Sonntag Rogate („Betet“)

Es war 2013, als ich für einige Wochen zu einem Beraterjob nach Melbourne in Australien durfte. Die Stadt, von der es heißt, die beste Lebensqualität der Welt zu haben. Und es ist wirklich eine ganz tolle Stadt!

An einem freien Samstag machte ich mich auf, mit dem Mietwagen diese wunderbare Stadt und dann später auch den Strand zu erkunden. Ein bisschen am Strand flanieren und Fotos machen, dachte ich.

Nun ist der Strand dort praktisch Teil der Stadt, das Wetter war sonnig, und alle strandnahen Parkplätze waren gut gefüllt. Zum Glück fand ich eine doch recht gute Lücke. Zum perfekten Strandbummel fehlte mir nun nur noch so ein Park-Ticket, das ich gut sichtbar hinter die Scheibe legen wollte.

Recht nah beim dem Auto war auch schon einer dieser Automaten. Geld rein – Ticket raus … das dachte ich. Aber welches Geld? Scheine nahm das Ding nicht und mein Münzgeld reicht gerade mal für vielleicht zwanzig Minuten.

Gut, dann wird es wohl eher ein Strandspurt, statt Spaziergang. Aber ein paar Fotos könnte ich ja machen.

Meine einzige Münze verschwand im Automaten und es kam … Nichts! Meine einzige Münze blieb einfach hängen. Was jetzt? Losrennen und irgendwo ein Eis kaufen, damit wieder etwas Kleingeld da wäre? Jemanden bitten, mir zu helfen? Ich sah weder einen Kiosk in der Nähe, noch jemanden, den ich mit meiner Bitte belästigen wollte. Nein, ich wollte meine Münze wiederhaben.

Aber auch nach wiederholtem Drücken auf die Rückgabe-Taste kam nichts. In meinem Kopf flogen die Gedanken durcheinander. Einfach riskieren? – Was wenn die hier gleich abschleppen? Den Parkplatz aufgeben, irgendwo eine Münze besorgen und dann wiederkommen?

Ach Herr hilf! Was soll ich tun?

Ich drückte den Rückgabeknopf noch ein allerletztes Mal mit aller Kraft und es klimperte plötzlich im Kasten. Freudig griff ich hinein und fand gleich drei Münzen vor!

Sofort lief ich zum nächsten Ticketautomaten und der gab mir dann auch ein Zettelchen, mit dem ich sogar fast eine Stunde bleiben konnte, spazieren und Fotos machen. Danke Herr, danke, danke, danke und mein Grinsen ging von einem Ohr zum andern.

Betet! Rogate, so heisst heute der Sonntag. Für mich hat Beten viele Aspekte.

Beten, das ist für mich einfach das Gespräch mit Gott, wie mit einem Vater, der mich kennt, zu dem ich mit allem kommen kann.

Und er antwortet. Keines der Gebete verhallt einfach so. Oft ist ein Gebet nur ein Wort, ein Gedanke. Als Jesus einmal über das Beten spricht, sagt er: Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. (Matth. 6, 7-8).

Meine Erfahrung ist auch: So wie wir „essentiell“ beten sollen, ohne Wortschwall, ohne Umweg über verschwurbelte Formulierungen, direkt aus dem Herzen – genauso antwortet auch Gott: Ohne plappern. Und Gott ist halt auch nicht wie Whatsapp, wo es einen blauen Haken gibt, sozusagen als Lesebestätigung.

Gott, und da spreche ich aus meiner ganz persönlichen Erfahrung, ist anders: Seine Antwort ist manchmal schnell, direkt sichtbar in dem, was er tut, wie er wirkt. Manchmal so, wie ich es mir auch vorgestellt habe.

Gott bleibt manchmal aber auch eine Weile stumm. Schweigen ist aber auch eine Form der Antwort. Schweigen heißt, mich hineinfallen lassen in das Vertrauen auf Gott, den Vater, der es wohl recht macht. Auch wenn ich es nicht oder nicht gleich verstehe.

Manchmal aber kommt aber auch eine Antwort, die überrascht, die mich als einen Kleingläubigen outet, der nur im Bereich seiner eigenen Möglichkeiten denkt und meint, Gott müsste sich an das halten, das mir möglich ist.
Komplizierter Satz, aber ich hoffe, Ihr habt ihn verstanden.

Gott überrascht mich immer wieder mit dieser väterlichen, fürsorglichen Liebe, ob es sich um Parkmünzen in Melbourne handelt oder um die „Parkmünzen“ meines Lebens, meiner Seele.

Gott segne Euch!

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 62 vom 16.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Opa, fällt der Landkreislauf in diesem Jahr auch aus?“ Das waren die Worte meines Enkelsohnes im März kurz nach dem Shutdown am Anfang der Coronakrise. Diese Frage hat mich nachhaltig berührt. Die Erinnerungen an den Landkreislauf 2019 stiegen in mir hoch. 2019 war ich auf der kurzen Etappe von Neunkirchen nach Heuchling mit meinem Enkelsohn unterwegs. Mit seinen 6 Jahren war er der zweitjüngste Teilnehmer. Auf dieser Etappe sind viele Kinder aus unserer Mannschaft gelaufen und fast bei jedem war ein Erwachsener als Begleitperson dabei.

Im Vorfeld habe ich mir überlegt, wie ich meinen Enkel motivieren kann ohne ihn zu überanstrengen. Wie kann er mitlaufen, dass er das Gefühl bekommt, es hat mir Spaß gemacht und ich bin auch mit dem Ergebnis zufrieden. Seit etlichen Jahren trainieren wir (es gibt dafür ein Team) Kinder für den Landkreislauf. Wir versuchen sie langsam aufzubauen und an eine längere Strecke zu gewöhnen. Manche Kinder freuen sich darüber, andere spüren, dass es ihnen doch nicht viel Spaß macht. Wie bekommen wir das als Vorbereitungsteam heraus?

Ich denke da an eine besondere Bibelstelle aus dem Galaterbrief. Paulus verwendet den Begriff „Zuchtmeister“ im Zusammenhang von Gesetz und Evangelium. Diese Bezeichnung vom „Zuchtmeister“ und ihre Übertragung auf Lehrende hat leider eine unrühmliche Geschichte. Ich habe das selbst in meiner 1. Klasse 1964 – 1965 noch erlebt. Der Lehrer hat mit der Hand und mit dem Stecken auf die Finger geschlagen um Kindern Wissen „einzutrichtern“. Ich sehe noch heute das Bild vor mir, wie ein Klassenkamerad bei einer Schreibarbeit etwas über den Rand hinausgeschrieben hat. Der Lehrer nahm den Stecken und schlug auf seine Finger. Rückwärts ist der 6-jährige Schüler brüllend durch das Klassenzimmer gelaufen. Er war natürlich ohne Chance gegen die Schläge. Seine Schreie klingen mir noch heute ins Ohr.

In Gesprächen mit Menschen zum Thema „Erziehung“ kommt es immer wieder zu Zitaten aus der Bibel. Dabei wird mir erzählt, dass selbst in der Bibel Schläge sein dürfen. Offenbar gilt das vor allem auch bei christlichen Sekten als Erziehungsmittel. Bei näherem Hinschauen erkenne ich, dass in der Bibel im griechischen Urtext das Wort „Pädagoge“ steht. Der Zuchtmeister ist der „Pädagoge“. Er ist ein Mensch, der sich um eine kindgerechte Erziehung kümmert. Er führt Menschen zu einem Lernziel und vermittelt Bildung. Das ist etwas ganz anderes als das, was mit der Lutherübersetzung von „Zuchtmeister“ oder „züchtigen“ bei Menschen vermittelt wird. Da ist die Bibel bei der Auslegung offenbar von preußischer Disziplin überlagert. Und diese hat nichts mit biblischen Aussagen zu tun.

Am Ende des Landkreislaufes vor einem Jahr hatte ich das Gefühl, eine gute Dosis an Selbstbewusstsein und Freude an meinem Enkelkind weitergegeben zu haben. Nicht nur er war sehr stolz über seine sehr gute Leistung, sondern auch sein Opa war das. Schade, dass  heute am 16.05.2020 der geplante Landkreislauf 2020 nicht stattfinden kann.

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 61 vom 15.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

„Die kalte Sophie hat ihren Namen wieder einmal alle Ehre gemacht“. Wie oft habe ich schon als Kind diesen Spruch mit allen Abwandlungen von meinem Vater gehört. Bei der Wettervorhersage waren für einen Bauern diese sog. „Bauernregeln“ wichtiger als Wettervorhersagen. Der 15. Mai spielte dabei immer eine besondere Rolle. Auch heute Nacht und der Blick heute früh am 14.05.2020 nach draußen verrät mir, dass die Bauernregel 2020 voll zugetroffen hat. Es ist nass, kalt und windig. Der Wetterbericht hat sogar Nachtfröste in bestimmten Lagen gemeldet. „Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bis Sophie vorüber ist“. Das ist die wichtigste Regel für den heutigen Tag der Hl. Sophie. Sie beschließt den Reigen der sogenannten Eisheiligen. Ihre Namen klingen seltsam, aber irgendwie auch wieder charmant. Mamertus – Pankratius – Servatus – Bonifatius – Sophia. Ich war fasziniert, dass mein Vater sogar die lateinischen Namen auswendig vorsagen konnte.

In der heutigen Zeit ist der Name Sophia in den letzten Jahren zum häufigsten Vornamen in Deutschland geworden. Dabei weiß man gar nicht so viel über das Leben der bekannten Eisheiligen. Immerhin soll sie 304 n. Chr. bei der letzten schweren Christenverfolgung durch den römischen Kaiser Diocletian als Märtyrerin gestorben sein. Dieser römische Kaiser war gar nicht so sehr grundsätzlich gegen Christen eingestellt. Aber er war ein ausgezeichneter Organisator und kluger Politiker. Er hat das Reich in einer Art und Weise geführt, die auch noch heute beim Führen eines Landes als Vorbild im Hintergrund steht. Vor allem legte er Wert auf eine straffe, zentrale Organisation mit klaren Strukturen. Und da passte es einfach nicht, dass Christen die Weltordnung mit ihrer eigenen Art des Glaubens durcheinander brachten. Aber schon keine 10 Jahre später änderte sich für die Christen grundsätzlich alles mit dem Sieg von Konstantin d. Großen gegen seine Widersacher. Aber davon einmal später mehr.

Sophia“, die „Weise“, die „mit Weisheit gesegnete“. Auch in der Bibel gibt es verschiedene Bücher, die dieses Thema beleuchten. Neben einigen Weisheitspsalmen sind das vor allem das Buch der Sprüche, der Prediger Salomo und das Hohelied Salomo. Viele bekannte Sprichwörter stammen aus diesen Teilen der Bibel. Haben sie etwa gewusst, dass das Sprichwort „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ aus dem Buch der Prediger im 10. Kapitel, Vers 8 stammt und auch im Buch der Sprüche 26, 27 zu finden ist. Mir gefällt der Name Sophia und das nicht nur, weil meine Enkeltochter so heißt und die ich hoffentlich noch heute abend nach über 10 Wochen wieder einmal sehen kann. Ich finde es grundsätzlich wichtig, Entscheidungen des Lebens weise zu fassen.

Das gelingt nicht immer, weil oft die Emotionen mit mir „durchgehen“. Bei Einführung des Internets bin ich mehrmals in diese Falle getappt: Ich habe eine Information gelesen oder von einem anderen erhalten. Ich war emotional so aufgewühlt, dass ich sofort per Mail geantwortet habe. Früher habe ich den Brief erst mal in Ruhe lesen müssen, dann habe ich eine oder mehr Nächte darüber geschlafen. Dann waren die ersten Emotionen „verraucht“ und ich konnte sachlich antworten. Jetzt nach fast 20 Jahren Umgang mit Internet habe ich „meistens“ gelernt, abzuwarten und notfalls erst einmal anzurufen bevor ich etwas schreibe. Klug mit „Weisheit“ umgehen.

Kein Wunder, dass im Buch der Sprüche im 8. Kapitel die Weisheit als Gottes Liebling und als erste Tat der Schöpfung Gottes bezeichnet wird. „Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war…als er die Erde noch nicht gemacht hatte…da war ich als sein Liebling bei ihm, ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit“. Welch einen Sonderplatz erhält die Weisheit bei Gott, dem Schöpfer. Diese Weisheit im Angesicht Gottes wünsche ich jetzt allen Menschen, die Entscheidungen in dieser Coronakrise treffen müssen. In der HZ war gestern ein Interview mit dem Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl zu lesen mit seiner eigenen Ansicht zur gegenwärtigen Lage. Hat er Recht? Ich weiß es nicht. Da lese ich dann doch lieber als Ausgleich diesen wunderbaren Weisheitsspruch aus dem Buch der Sprüche. „Es ist besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass“ (Spr. 15, 17).

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 60 vom 14.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wenn Conora will, steht (fast) alles still“. Nein, nicht schon wieder falsch geschrieben. Ein neuer Versuch. „Wenn Coroan will, steht (fast) alles still“. Schon wieder falsch. Ein letzter Versuch. „Wenn Corona will, steht (fast) alles still“. Hurra, endlich habe ich es geschafft. Jetzt schreibe ich seit dem 15.03.2020 diese Updates und fast jeden Tag benötige ich zwei oder drei Anläufe für die Überschrift.

Was hat es nur mit diesem Coronavirus an sich? Das besonders am heutigen Tag. Denn der 14.05. ist der Tag der Hl. Corona. Als evangelischer Pfarrer bin ich nicht ganz so bewandert in den Heiligengeschichten. Aber die Geschichte hinter dieser Frau will ich schon herausfinden. Ich gebe zu, dass ich bis vor wenigen Wochen nicht wusste, dass es diese Heilige überhaupt gibt.

Die Hl. Corona ist Patronin für Schatzgräber, für die Lotterie, in Geldangelegenheiten und für Metzger. Na bravo. Ich wusste gar nicht, dass diese Corona auch meine Heilige ist. Dabei ist die Heilige Corona im zweiten Jahrhundert gemeinsam mit ihrem Mann zur Märtyrerin geworden. Mit 16 Jahren wurde sie 177 n. Chr. an zwei herabgezogenen Palmen gebunden, bei deren Emporschnellen sie zerrissen wurde. Reliquien von ihr liegen im Prager Dom. Sollte die geplante Fahrt in die Masuren Ende August klappen, kommen wir auf der Rückfahrt in Prag vorbei. Dann schaue ich mir diese Reliquie an. So jedenfalls mein Plan.

Aber so wie es sich mit dem Virus verhält, so ist diese Heilige selbst. Mal wird der 14.05. als Namenstag genannt, dann wieder der 20.02., in der Ostkirche der 11.11. Dann sollen die Reliquien wieder im Aachener Dom liegen. Dann gibt es den Hinweis auf den Ort „St. Corona am Wechsel“, der in Österreich liegt. Früher lebten dort ausschließlich Holzfäller und sie haben die Heilige um Schutz und Hilfe bei ihrem gefährlichen Beruf angerufen.

Und dann die Bedeutung des Namens selbst. „Corona“ = „Die Gekrönte“. Der Virus heißt so, weil er wie eine Krone aussieht. Bei uns wird eher die griechische Form genommen: „Stephanie“ oder „Stefanie“ mit allen Ableitungen. Mich lässt das Gefühl nicht los, mit der Heiligen ist es so wie mit dem Virus: Es gibt da verschiedene Möglichkeiten des Umgangs. Welcher ist richtig? Die Virologen streiten darum und die Politiker auch. Die Verschwörungstheoretiker haben Hochkonjunktur. Und sogar eine Erdbeersorte ist nach ihr benannt. Da halte ich mich dann doch lieber an das Wort aus der Bibel mit Jesus als den Gekrönten wie es in den Kreuzesdarstellungen der Romanik gezeigt wird: „Wir sehen auf Jesus, der durch das Leiden des Todes gekrönt ist mit Herrlichkeit und Ehre, auf dass er durch Gottes Gnade für alle den Tod schmeckte“ (Hebräerbrief 2, 9b).

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 59 vom 13.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Bald können hoffentlich wieder Gottesdienste gefeiert werden. Ich gehe in die Kirche und schaue auf die Liedertafel.

Die Liednummern spiegeln das Singen des letzten Gottesdienstes am 15.03.2020 wieder. Ich werde etwas wehmütig. Seit 2 Monaten gibt es diese für Christen so wichtige Feier am Sonntag morgen nicht mehr. Online-Gottesdienste im Internet oder Fernsehgottesdienste sind für mich selbst kein Ersatz. Ich brauche das Erlebnis live vor Ort. EG 621wurde gesungen: „Ich bin durch die Welt gegangen, und die Welt ist schön und groß; und doch ziehet mein Verlanden mich weit von der Erde los„. Das Lied zeigt etwas von der besonderen Perspektive eines Christen auf. Dieses Leben hier auf Erden ist ganz wichtig. Wir dürfen uns an Menschen und an der Natur freuen. Dennoch ist es nur so eine Art „Vorstufe“ für eine andere Wirklichkeit, für ein Leben bei Gott.

EG 391 ist erst seit der liturgischen Reform zum 1. Advent 2018 das Wochenlied für den dritten Sonntag in der Passionszeit (Okuli): „Jesu, geh voran„. Ältere kennen es besonders dadurch, dass sie dieses Lied als Konfirmanden bei ihrem Festtag der Gemeinde vorsingen „mussten“. Es war bei mir 1972 auch so. Es war ein kläglicher Gesang. Wir waren insgesamt 6 Personen. Die drei Jungs waren im Stimmbruch und die drei Mädchen waren schüchtern!! Und dann vor allen anderen Gottesdienstbesuchern vorsingen? Vielen Menschen hat es erst als Erwachsener Halt und Trost gegeben. Es wird deshalb häufig als Lied zu einer Beerdigung gewünscht.

EG 564 ist eines meiner Lieblingslieder: „Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft. Wie das Feuer sich verbreitet und die Dunkelheit erhellt, so soll uns dein Geist ergreifen, umgestalten unsre Welt„. Sobald ein Predigttext das Thema „Heiliger Geist“ als Hauptthema zum Inhalt hat, lasse ich es singen. Ich freue mich besonders dann, wenn der Posaunenchor beteiligt ist. Es gibt dazu ein herrliches Vor- und Nachspiel. Es drückt Bewegung, Begeisterung, Feuer des Glaubens aus.

Nr. 96 aus der Blauen Mappe erinnert mich an das Grundbekenntnis meines Glaubens: Gott ist wie ein Vater. „Vater, ich komme jetzt zu dir, als dein Kind lauf ich in deine Arme. Ich bin geborgen, Du stehst zu mir, lieber Vater. Vater, bei Dir bin ich zu Hause. Vater, bei Dir berge ich mich. Vater, bei Dir finde ich Ruhe, o mein Vater, ich liebe Dich“.

Nr. 24 aus der Blauen Mappe stärkt das Vertrauen in Gott. „Ich trau auf dich, o Herr. Ich sage, du bist mein Gott. In deiner Hand steht meine Zeit, in Deiner Hand steht meine Zeit. Gelobet sei der Herr, denn er hat wunderbar seine Liebe mir erwiesen und Güte mir gezeigt.“. Wie wahr. Und wie oft habe ich in den letzten zwei Monaten an dieses Lied mit dem Psalmwort aus Ps 31 gedacht.

Nr. 30 aus der Blauen Mappe gehört zu den neuen Passionsliedern, von denen es nur ganz wenige gibt. Manche meinen, dass Lobpreislieder nur Freude anstimmen können. Dem ist aber wohl nicht so. Es gibt auch den „Lobpreis aus der Tiefe“. Vielleicht ist er noch wichtiger als der „Lobpreis aus der Höhe“. Dieses Lied eignet sich deshalb besonders für die Passionszeit. „Würdig und herrlich ist das Lamm. Jesus, Dir allein sei Ehre. Du, der Du sitzt auf Deinem Thron, Dir sei Ruhm in Ewigkeit. Halleluja, Sei erhoben, o Herr, Du bist König, und wir beugen uns, Herr. In Anbetung singen wir zu Dir“.

Auch im Nachhinein erkenne ich, dass diese Lieder vom 15.03.2020 ein breites Spektrum an geistlichen Lieder und an verschiedenen Themen abgebildet haben. Ich bin gespannt, wann wir sie wieder singen können. Hinter einer Maske will ich das jedenfalls nicht tun.

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 58 vom 12.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wenn ich morgens zum Bäcker gehe, dann habe ich einen großen Vorteil. Beim Eintreten sehe ich sofort die größte deutsche Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben. Auf den ersten Blick erkenne ich dann, was an diesem Tag über 4 Millionen Leser/-innen als Information erhalten. Denn es gibt täglich diese eine große Überschrift, die sofort ins Auge sticht.

Am vergangenen Mittwoch (06.05.2020) habe ich mich gefreut. Die Überschrift lautete: „Coronaumkehr ab heute„. Darauf habe ich schon lange gewartet, dass es im Denken und Handeln bei uns Menschen durch die Coronakrise eine Umkehr geben wird. Ich lese die Unterzeilen: „Biergärten sollen geöffnet werden – Menschen sollen sich wieder treffen können – Reisen innerhalb von Deutschland sollen möglich sein – Beschränkung von 800 qm bei Geschäften soll aufgehoben werden – Einzelsport zu zweit im nötigen Abstand wird ermöglicht“. So und ähnlich waren die Informationen. Ich stutze.

Umkehr“ – da war doch was! Natürlich! Es ist eine biblische Bezeichnung für ein ganz bestimmtes Verhalten. Aber die Zeitung mit den vier großen Buchstaben nennt da nichts. „Gut“, denke ich, „es ist ja auch nicht die Bibel und auch keine geistliche Auslegung“ eines Theologen. Aber ein wenig bin ich enttäuscht und denke: „Knapp daneben ist auch vorbei“. Denn diese „Umkehr“ ist ein biblischer Begriff. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Markusevangelium 1, 15), so sagt das z.B. Jesus zu Beginn seines Wirkens in Galiläa. In manchen Bibeln steht hier das Wort „Tut Buße„. Irgendwie hat dieser Begriff „Buße tun“ einen negativen Beigeschmack. „Büßen, sich unterwerfen, bestraft werden für etwas Schlechtes, das ich getan habe“ – so wird das oft verstanden. Im griechischen Urtext steht ein Wort, das mit „einen anderen Sinn bekommen“ übersetzt werden kann. Ich erkenne also falsche Wege, die ich gegangen bin. Ich merke, dass ich in einer Sackgasse stehe und wieder umkehren muss. Ich schlage eine andere Richtung ein.

Ich finde, dass diese biblische Bezeichnung durchaus sehr gut in unsere jetzige Situation passt. Denn dort weitermachen, wo diese Welt vor dem März 2020 gestanden ist, kann es wohl nicht sein. Hoffentlich kommt es zu einer Umkehr. Hoffentlich besinnen sich viele Menschen darauf, was anders werden kann und muss in dieser Welt. Und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Hoffentlich kommt es auch zu einer Umkehr bei vielen Menschen zu Gott, zu Jesus Christus. „Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: durch Umkehr und Ruhe könntet ihr gerettet werden. Durch Stillsein und Vertrauen könntet ihr stark sein“ (Jesaja 30, 15).

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 57 vom 11.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Das war eine sehr schöne Überschrift auf der ersten Seite der Hersbrucker Zeitung am 01.05.Väter dürfen dabei sein„. Worum ging es? Nürnberger Geburtskliniken lockern das strenge Besuchsverbot, das bisher wegen Corona gegolten hat, damit Schwangere nicht allein sind.

Bei dieser Überschrift habe ich sofort an Erzählungen meines Vaters gedacht. Damals Ende der 50er-, Anfang der 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durften Männer nicht bei einer Geburt im Krankenhaus in Rothenburg o/T dabei sein. Im ganzen Dorf gab es nur ein Telefon an der dörflichen Poststelle. Mein Vater hat meine Mutter bei den einsetzenden Wehen in das Krankenhaus gefahren, hat sie dort „abgesetzt“ und musste wieder nach Hause fahren. Er hat dann ganz normal gearbeitet. Irgendwann kam der Mann von der Poststelle in den Hof mit der freudigen Nachricht. Bei meiner älteren Schwester hat mein Vater die Nachricht zur Kenntnis genommen und hat weiter gearbeitet. Am Abend ist er dann bei meiner Mutter vorbeigefahren und hat sich mit ihr gefreut.

Dann kam das zweite Kind zur Welt. Das war ich. Der Anfang ähnelte der Situation wie bei meiner Schwester. Mein Vater war gerade beim Ausmisten des Schweinestalles. Aber bei der Nachricht: „Du hast einen Buben“, hat mein Vater sofort die Arbeit eingestellt. Es gab eine Katzenwäsche und dann schnell ins Krankenhaus. Vielleicht könnte manch ein/e Leser/-in eine ähnliche Geschichte erzählen. Als ich die Geburt unseres ersten Kindes (eine Tochter!!) einem Gemeindemitglied sagte, antwortete er mit: „Naja, Hauptsache gesund“.

Im Hersbrucker Regionalteil wird dann die berührende Geschichte einer Hebamme erzählt wie sie werdende Mütter vorher und nachher begleitet. Sie erzählt von ihrer Freude, auch in Coronazeiten werdende Mütter zu helfen. Mich erinnert das daran, wie die Bibel den Vorgang beschreibt, wenn Menschen zu Jesus finden. Es findet eine geistliche „Neugeburt“ statt. Gott verwandelt durch den Glauben einen Menschen und schenkt ihm neues Leben. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Korintherbrief 5, 17) so nennt das Paulus.

Manche Christen gebrauchen auch die Formulierung „Wiedergeburt“. Ich tu mich damit ganz schwer. Denn ich habe relativ viele Gespräche mit Menschen, die einen buddhistischen Hintergrund haben. Sie verstehen Wiedergeburt als eine Reinkarnation. Aber das ist damit genau nicht gemeint. Manche gebrauchen das Wort „sein Leben Jesus übergeben“. Aber dann muss ich auch erst erklären, dass ich damit nicht das „übergeben“ im umgangssprachlichen Gebrauch meine. Ich mag die Formulierung“neu geboren werden“ oder „Jesus soll jetzt Herr in meinem Leben sein“. Durch den Glauben werde ich geistlich eine neue Person, die von Jesus geprägt ist und die sich auf seine Gnade und Vergebung verlassen kann. Paulus hat das an anderer Stelle so ausgedrückt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galaterbrief 2, 20). Aber diese Gedanken will ich morgen gerne noch etwas weiterspinnen.

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 56 vom 10.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit.

Zugegeben, es war auch im Nachhinein eine merkwürdige Situation. Aber sie zeigt etwas von dem geistlichen Aufbruch der Jugendlichen vor 50 Jahren. Ich erinnere mich noch ganz genau. Es war 1976. Ich war aktives Mitglied der ELJ (Evangelische Landjugend) Steinach-Habelsee. Es war die Zeit, in der überall die christlichen Jugendgruppen aus dem Boden geschossen sind. Auch CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) – Gruppen sind entstanden, in der Hersbrucker Region wurden die Christusträger zu Evangelisationen eingeladen. In unserem Dorf haben wir uns jede Woche getroffen. Höhepunkt war das jährliche Theaterspiel. Es hatte auch einen großen finanziellen Aspekt. Wir übten jedes Jahr einen Dreiakter ein. „Was machen wir in der Pause?“ wurde überlegt. Schnell kam die Antwort. Wir singen neue geistliche Lieder. Und tatsächlich. In den beiden Pausen trat die gesamte Gruppe auf und mit Gitarre wurden z.B. „Kommt, sag es allen weiter“ und „Hört, wen Jesus glücklich preist“ gesungen. Was für ein Bild? In einer weltlichen Gastwirtschaft bei vollbesetzten Saal mit ca. 200 Leuten diese Lieder mit dieser biblischen Botschaft! Heute wohl kaum vorstellbar! Aber wir waren überzeugt davon, mit neuen geistlichen Liedern das Evangelium gerade an einem „weltlichen“ Ort zu verkündigen.

Heute ist der Sonntag Kantate – „Singet“, der „Singesonntag“. Oft fällt er – wie auch in diesem Jahr – mit dem Muttertag zusammen. Dann hat er noch eine besondere Note. „Am kommenden Sonntag werden sie doch sicherlich etwas zu Kantate im Update schreiben“ – so haben Gemeindemitglieder zu mir gesagt. Daran sehe ich, dass dieser Sonntag bei Menschen mehr im Gedächtnis verankert ist als andere Sonntage.

Es gibt viele bekannte Zitate zum Thema „Singen und Glauben“. Ich möchte diesen Zitatenschatz ein wenig erweitern. Dazu gehört etwa „Gott achtet uns, wenn wir arbeiten, aber er liebt uns, wenn wir singen“. Das Singen bringt mich körperlich und seelisch Gott nahe. Durch das Singen schlägt mein Herz für Gott. Durch das Singen wird mir bewusst, dass Gott mich so geschaffen hat, dass ich mit meinem Herzen und mit meiner Stimme ihn ehren und loben kann. Mit dem Singen bringe ich zum Ausdruck, dass Gott in meiner Freude und auch in meiner Trauer bei mir ist.

Ein weiteres Zitat dazu: „Das Lob Gottes wird dort am Glaubhaftesten gesungen, wo es aus der Tiefe kommt“. Wer mitten in der Traurigkeit steckt, dem hilft das Lob heraus und er erhält Kraft zu neuen Lebenswegen.

Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder„. Der Beginn des Psalm 98 hat den Sonntag den Namen gegeben. Dabei geht es weniger darum, ob ältere traditionelle Lieder gesungen werden oder neue Lieder erklingen. Es geht vor allem darum, dass mein Herz von dem ausgefüllt wird, dem ich immer vertrauen kann. Dann können die Lieder aus den verschiedenen Jahrhunderten mit Freude gesungen werden.

Das Singen hat therapeutische Funktion. Martin Luther hat einmal gesagt: „Die Musik ist die beste Gottesgabe – und dem Satan sehr verhasst„. Wer sich dem Singen öffnet, der hat also ein mächtiges Bollwerk gegenüber den dunklen Seiten des Lebens. Er hat eine starke Waffe gegenüber Dämonen und Kräfte, die mir meine Lebenskraft rauben wollen.

„Wenn Gott unser Herz berührt, fängt es an zu singen“ hat die deutsche Pfarrerin Hanna Ahrens einmal gesagt. Darum geht es letztlich auch an diesem Sonntag. Dass Gott mein Herz und meine Sinnen berührt. Und das gelingt mit dem Singen auf eine besondere Art und Weise. „Lasst das Wort Christi reichlich unter such wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit, mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen“ (Kolosserbrief 3, 16).

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 55 vom 09.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit (dieser Beitrag erscheint heute als geistliches Wort in der Hersbrucker Zeitung)

Heute in einer Woche wäre es wieder soweit gewesen. Der Landkreislauf 2020 hätte gestartet werden sollen. Ende des vergangenen Jahres habe ich mich für diesen Samstag für das geistliche Wort eintragen lassen. Ich war der festen Überzeugung, mit ein paar Worten Menschen auf den Geschmack für diesen besonderen Event zu bringen. Aber ersten kommt es anders und zweitens als man denkt.

Dennoch und gerade jetzt erinnere ich mich an eine besondere Begebenheit im Mai 2019. Auf meiner Walkingtrainigsstrecke komme ich an ein bestimmtes Haus vorbei und grüße die Bewohner, wenn sie gerade davor stehen. Ich walke also vor einem Jahr wieder in Richtung dieses Hauses. Aus einem Auto steigen eine Frau und ihre etwa 5-jährige Tochter heraus. Wer mich kennt, weiß, dass ich das sog. Powerwalken liebe. Konkret heißt das: Ich walke relativ schnell und mit kräftigen Armzügen. Bei dieser Technik fühle ich mich wohl und ich habe dabei ein gutes Körpergefühl. Ich walke also an den beiden Zeitgenossen vorbei und höre wie das Kind zur Mutter sagt: „Mama. Was macht denn der Mann da?“ „Der macht Sport“ war die Antwort. Darauf das Kind: „Was, das soll Sport sein?“

Ich schmunzle. Vielleicht sieht solch ein Walken tatsächlich nicht wie ein „normaler“ Sport aus. Aber jedes Mal, wenn ich an diesem Haus jetzt vorbeiwalke denke ich an diese Worte des Kindes zurück und überlege mir: „Woran erkenne ich einen Menschen, der Christ ist“? Ist das nach außen zu sehen? Sieht das nach außen auch etwas komisch aus? „Was, das soll ein Christ sein“? Würde ein Kind das auch zu mir sagen, wenn mein Leben an ihm vorüberziehen würde?

Wenn ich Kinder in der Schule oder Jugendliche in der Konfirmandengruppe danach frage, dann höre ich oft: Ein Christ ist, wenn „er jeden Sonntag in die Kirche geht“ oder „wenn er oft betet“ oder „wenn er fromme Lieder singt“ oder „wenn er anderen hilft“. Sind das Kriterien für ein Christsein?

Ich schaue in die Bibel und lande bei der Geschichte, wie Jesus seinen Jüngern im 13. Kapitel des Johannesevangeliums die Füße wäscht. Am Schluss sagt er: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Gesandte nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst – selig seid ihr, wenn ihr es tut“ (Jo 13, 15 – 17). Interessant ist, dass oft nur der erste Vers zitiert wird. Dann bleibt es beim Kennzeichen eines Christen nur bei der sozialen Tat. Die anderen beiden Verse zeigen, dass es hier noch um etwas ganz anderes geht. Jesus hat den Sklavenschurz angezogen und sich ganz unter seine Jünger gestellt. Er hat ihnen gedient wie ein Sklave seinem Herrn dient. In dieser Haltung ist er auch mit dem Sklavenschurz am Kreuz gestorben. Es geht darum, nicht größer sein zu wollen. Es geht darum, dass ich in verantwortungsvollen Tätigkeiten mich nicht über den anderen erhebe. Und umgekehrt. Menschen stehen in gegenseitiger Verantwortung vor Gott und sollen in diesem Wissen Entscheidungen treffen. Und das ist in dieser Coronakrisenzeit wichtiger denn je, damit Menschen eine lebenswerte Zukunft haben.

Wenn Corona will, steht (fast) alles still, Update 54 vom 08.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Es ist ein Werktag vor Ostern. Genauer will ich nicht sein, damit die andere Person geschützt bleibt. Ich hatte mir vorgenommen, im April und im Mai alle Personen anzurufen, die von 1 – 100 Geburtstag haben. Uns Pfarrern ist es seit dem 18.03.2020 bis heute verboten, Menschen zu besuchen. Auch die Pfarrer sollen sich den Ausgangsbeschränkungen unterwerfen. Nur in ganz schwierigen seelsorgerlichen Fällen (bei Sterbenden) können sie „unter Einhaltung der Hygienevorschriften“  Besuche abstatten. Also wird das Telefon wieder ganz wichtig für die Kommunikation. Eine Frau hat Geburtstag. Im Telefon höre ich sie  weinen. „Herr Pfarrer. Das ist ganz schlimm für mich. Ich wohne alleine im Haus. Mein Sohn kommt und unterstützt mich. Er kauft ein und tut alles für mich. Aber ich habe Angst. Ich würde gerne mehr mit ihm und anderen Menschen reden. Dass ich das noch erleben muss. Ich habe den Krieg überstanden. Und jetzt das“.

„Das ist die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“. So und ähnlich habe ich das jetzt oft gehört, wenn Politiker diese Coronakrise beschreiben. Heute ist der 08.05.2020. Heute genau vor 75 Jahren hat die deutsche Wehrmacht die Kapitulation erklärt. Der zweite Weltkrieg war vorbei. Ich gehe in unser Gemeindehaus zum zweiten Stockwerk. Im Jugendraum hängt ein wunderbares Kreuz. Bei der Renovierung dieses Jugendraumes vor genau 21 Jahren hat der Kirchenvorstand beschlossen, ein Kreuz als Erinnerung machen zu lassen. Genau in diesem Jahr 1999 war die Bundeswehr zum ersten Mal bei einem Natoeinsatz beteiligt. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der der damalige Außenminister, Joschka Fischer, Mitglied der Partei der Grünen war. Wer hätte das bei der Gründung dieser Partei 20 Jahre vorher gedacht. Aber manchmal gibt es eben außergewöhnliche Situationen, in denen Parteipolitiker über ihren Schatten springen müssen. Dieser Einsatz hat vielen Menschen das Leben gerettet. Denn es war ein Einsatz in der umkämpften Gegend des früheren Jugoslawien. Es war der sog. Kosovokrieg, der am 9. Juni 1999 endete. Ich schaue auf das Kreuz.

Ich finde die Jahreszahl 1999 und „Christus ist unser Friede“ (Epheserbrief 2, 14). Das ist mir damals besonders deutlich geworden. Hier auf dieser Erde gilt es, den Frieden zu bewahren und zu gestalten. Aber letztlich wird es immer irgendwo auf dieser Erde bewaffnete Konflikte geben. Eine Welt ohne jegliche Gewalt wird es nicht geben. „Christus ist unser Friede„. Das ist eine Botschaft gegen den Augenschein.

Das Wort „Frieden“ heißt auf hebräisch „Shalom“ und gehört wohl zu den bekanntesten Fremdwörtern in unserer Sprache. Es meint Frieden im umfassenden Sinn. Es ist mehr als „Nicht-Krieg“. Es bedeutet, versöhnt zu leben im Miteinander von Mensch, Tier und Natur. Es meint ein Leben in Vergebung und Versöhnung. Es meint ein Leben in Beziehung von Mensch und Gott, ein Leben im Vertrauen auf Gottes Nähe und Kraft. „ Shalom“ – das wünsche ich auch jetzt allen Leser/-innen heute an diesem besonderen Tag. Allen, die das Ende des Krieges noch selbst erlebt haben und allen, die diesen Tag in den Nachrichten und Gesprächen miterleben. Vermutlich spüren dann alle, dass diese damalige Krise noch ganz anders war als das, was wir jetzt erleben. „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“ (Jesaja 9, 5).