Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 292 vom 01.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die gute Tat am Neujahr

Als Pfarrer habe ich natürlich schon viele Gottesdienste an Neujahr erlebt. In manchen Kirchengemeinden und vor allem in Freikirchen werden keine Gottesdienste mehr an diesem Tag gefeiert. Die Menschen sind „feiermüde“ vom Silvester. Bei uns in Altensittenbach kommen zwischen 15 – und 20 Gottesdienstbesucher/-innen. Wenn ich im Kirchenvorstand nach diesem Tag frage, erhalte ich bis zum heutigen Tag die Antwort: „Für manche Menschen ist es der schönste Gottesdienst im Jahr. So ruhig ist sonst kein anderer Gottesdienst“. Das stimmt vermutlich.

Vor meinem Dienst als Pfarrer habe ich jahrelang jährlich an irgendeinem Ort die Orgel gespielt. Meine Erinnerungen gehen deshalb an jedem Neujahrstag an ein besonderes Erlebnis vom 01.01.1979. Gestern habe ich über die Umstände beim Übergang von 1978 auf 1979 geschrieben. Es waren chaotische Straßenzustände. So fahre ich also zu Beginn des Jahres 1979 mit dem Auto von Habelsee in Richtung Oestheim. Der Gottesdienst war für 9.00 Uhr geplant. Um rechtzeitig anzukommen, allen Unabwägbarkeiten durch den Schnee auszuweichen und um noch ein wenig vorher üben zu können, bin ich um 6.30 Uhr!!!!! losgefahren. Die Strecke beträgt ungefähr 25 km. Die Autobahn A 7 war noch nicht durchgehend gebaut und ich musste die B 25 nehmen.

Kurz vor Insingen sah ich vor mir ein Auto im Straßengraben liegen. Der Fahrer stand verzweifelt auf der Straße und wollte Hilfe erhalten. Tatsächlich gelang es uns, mit dem Seil nach etlichem hin und her das Auto herauszuziehen. Es ging aber nicht mehr los. Also gab es noch eine Starthilfe mit dem Kabel. Letztlich gelang es uns beiden, das Auto wieder zu starten. Der Fahrer war natürlich überglücklich und bedankte sich herzlich bei mir. Ich habe fast eine Stunde dadurch verloren. In der ganzen Zeit fuhr kein anderes Auto vorüber. Wer fährt auch schon am Neujahrstag gegen 6.30 Uhr mit seinem Auto auf einer Bundesstraße zwischen Rothenburg o./T und Insingen?

Immerhin hatte ich einen Menschen helfen können und kam auch noch rechtzeitig zum Üben und Orgelspielen in der Kirche an. Solch eine gute Tat am Neujahrstag um einen Menschen in seiner Krise helfen zu können!! Ich war durchaus ein wenig stolz. Kein Wunder, dass ich das bis heute nicht vergessen habe und an jedem 1.1. daran denke.

Hannah Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz schreibt zum Jahresbeginn: „Das erste Wort und das letzte Wort des Jahres ist dein Name, Jesus Christus, dein Name, in dem alle Liebe lebt, in dem unsere Heimat ist und in dem unsere ganze Hoffnung liegt. Du bist das A und das O, der Anfang und das Ende der Zeit“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 291 vom 31.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Temperatursturz

Ich sitze am 31.12.1978 um 22.00 Uhr in der Jakobskirche in Rothenburg. Mein Orgellehrer, KMD Hans Helmut Hahn gibt wie jedes Jahr ein Silvesterkonzert und gestaltet so für Liebhaber der klassischen Orgelmusik einen schönen Übergang in das neue Jahr. Für die Jahreszeit bin ich relativ „leicht“ angezogen. Es hat 10 Grad plus und nichts deutet darauf hin, dass sich das grundlegend verändern würde. Zu Dritt hatten wird vor Jahren mit dem Orgel lernen angefangen und standen kurz vor dem Absolvieren der sog. externen musikalischen C-Prüfung in Bayreuth. Wir hatten vereinbart, gemeinsam diesen Jahresübergang so zu gestalten und lauschten den Orgelklängen unseres Lehrers.

Nach knapp 90 Minuten gingen wir aus der Kirche um den weiteren Abend zu feiern. Außen angekommen staunten wir. In dieser gut einer Stunde gab es einen Temperatursturz von 20 Grad. Es war bitterkalt und es fing zu schneien an. Noch heute steht im Internet, dass dies der schlimmste Schneesturm der vergangenen 100 Jahren in Deutschland war und dass in manchen Gegenden sogar 20 Grad minus gemessen wurden. Das war also dann ein Temperatursturz von bis zu 30 Grad nach unten.

Für mich stand fest: Jetzt einfach möglichst sicher und dennoch schnell nach Hause kommen. Es gelang mir noch relativ gut. Diese 12 km konnte ich noch gut bewältigen durch vorsichtiges Fahren. Meine Gedanken hingen aber schon an den Morgen des neuen Jahres. Ich war eingeteilt als Orgelspieler in der Kirche in Oestheim. Dort hatte ich ein paar Wochen vorher meine erste Predigt in einem Sonntagsgottesdienst gehalten (siehe mein Update 193 vom 24.09.2020). Mein Gedanken waren: Ich muss morgen möglichst früh losfahren um gut dort anzukommen. 25 km! Normalerweise dauert das eine halbe Stunde. Außerdem hatte ich kaum Zeit zum Üben gehabt. Das muss ich auch noch einberechnen. Im Nachhinein haben sich diese Überlegungen als sehr gut herausgestellt. Aber davon dann morgen mehr.

Hannah Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz schreibt: „Du Anfang und Ende der Zeit, zu dir kommen wir in den letzten Stunden des Jahres. Du hast deine Arme über uns gebreitet in dem zu Ende gehenden Jahr. Deine Liebe hat uns getragen. Auch im neuen Jahr wirst du bei uns sein und uns vorausgehen. Du bist die Mitte, und du wirst das Ende aller Dinge sein.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 290 vom 30.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

War Weihnachten vor 2000 Jahren ruhig und staad?

Es war in diesem Jahr tatsächlich ein stilles und „staades“ Weihnachtsfest. Komisch für mich war, dass in den letzten Jahren einige Zeitgenossen mit mir darüber diskutiert haben, dass es in der Advents- und Weihnachtszeit viel zu laut war. „Man sollte doch auf das Eigentliche“ von Weihnachten hinweisen, das waren oft genug die Antworten. Dieselben Menschen haben sich in diesem Jahr bei mir beschwert, dass es diesmal so „ruhig“ war. Tja!! Offenbar kann man es tatsächlich keinem recht machen.

Ich fahre am 19.12. gegen 19.30 Uhr zum Unteren Markt nach Hersbruck. Ein wichtiger Brief muss eingeworfen werden im Wissen, dass nur die beiden Briefkästen direkt am Postamt am Sonntag früh geleert werden. Ich laufe durch den Ort, an dem in „normalen“ Jahren genau zu dieser Zeit am Samstag vor dem 4. Advent Hochbetrieb herrscht. Denn auf diesem Platz findet sonst der Hersbrucker Weihnachtsmarkt statt. In diesem Jahr herrscht hier absolute Stille. Ich begegne keinen Menschen. Ich laufe etwas langsamer und atme diese Ruhe und diese Stimmung ein. Ich versuche, das alles positiv wahrzunehmen und daran zu denken, dass diese „himmlische Ruhe“ angenehm sein kann.

Wenn ich sonst mit Menschen über die Advents- und Weihnachtszeit rede, dann wende ich oft ein, dass damals vor gut 2000 Jahren auch keine Ruhe geherrscht hat. Der Kaiser Augustus hatte eine Volkszählung befohlen. Jeder sollte in seine Heimatstadt reisen. Josef und Maria fanden keine Herberge. Alles war voll und hektisch. Vermutlich ging es in Bethlehem zu wie in einer Touristenstadt am Abend: laut, Menschen haben geschrien, Händler waren auf den Straßen, Räuber und Betrüger waren unterwegs. Wenn es also heutzutage zum Weihnachtsfest laut und schrill ist, dann liegt das näher an der ursprünglichen Weihnachtsgeschichte als die diesjährige Situation. Und gespannt bin ich, wenn in zwei Jahren genau zur Adventszeit die Fußballweltmeisterschaft in Katar über die Bühne gehen wird. „Sightseeing von Fußball bei Glühwein, Plätzchen und Heizungspilze“. Na, das hat uns gerade noch gefehlt!!

Dann ist vermutlich erst recht nötig, wie das Hanna Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz so ausgedrückt hat: „…und wenn dein Leben wie eine arme Bruchbude, wie ein alter Stall ist, liegt darüber die Verheißung, dass da „das ewig Licht“ hereingeht und von da aus durch alle Ritzen und Luken hinausdringt und in die Nacht der Menschheit hineinleichtet…

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 289 vom 29.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Herr Rotes aus der Weihnachtsgeschichte

Ich kenne den Herrn Weißes“. Tatsächlich habe ich diese Antwort auch schon einmal erhalten auf die Frage in der Schule, wer eine Person aus der Weihnachtsgeschichte nennen kann. Natürlich fallen schnell die Namen „Jesus“, „Maria“, Josef“. Vielleicht auch noch „Hirten“ und manchmal auch „Kaspar“ für einen der sog. drei Hl. Könige!! Aber bei der Nennung von „Herrn Weißes“ musste ich doch kurz nachdenken bis ich auf „den Trichter“ kam. „Du meinst wohl den „Herodes“. Ich schmunzle bei den Gedanken, dass der „Herr Rotes“ äh „Herodes“ leicht mit dem „Herrn Weißes“ verwechselt werden kann nach dem Motto: „Ich wusste es doch, dass an Weihnachten eine Farbe mit im Spiel ist.

Dabei ist die Geschichte von Herodes alles andere als lustig. Er war König in Palästina „von Römers Gnaden“. Diese hatten das Gebiet 63 v. Chr. erobert. Durch geschicktes Taktieren mit den Römern konnte Herodes ein relativ gutes Eigenleben in Judäa führen. Er hatte einen „guten Riecher“ dafür, welcher römische Herrscher an die Spitze kommt. So wechselte er immer wieder einmal die Seiten und konnte sich sehr gut behaupten. Er ließ den Tempel zum dritten Mal bauen und versöhnte sich so mit der eigenen religiösen Elite. Gleichzeitig tat er alles, um nicht gegen die römischen Herrscher agieren zu müssen.

Er wurde „der Fuchs“ genannt und das sagt alles. Auch in den biblischen Geschichten ist das sehr gut herauszulesen. Die sog. Weisen aus dem Morgenland lässt er Jesus finden um einen möglichen aufstrebenden Nebenherrscher von Anfang an zu zerstören. Er ist vermutlich im Jahr 4. V. Chr. gestorben und wurde fast 70 Jahre alt. Von diesem Datum aus wissen wir, dass Jesus ungefähr 4 – 6 v. Chr. geboren wurde. Das deckt sich auch mit der Geschichtsschreibung von der Konjugation von Jupiter und Saturn (siehe mein Update 280 vom 20.12.2020). In die Geschichte ist er als „jüdischer Klientelkönig Roms“ eingegangen. Engel Gottes halfen Josef, damit Herodes das Leben von Jesus nicht zerstören konnte. Aber letztlich gehört auch dieser jüdischer Herrscher zur Geburtsgeschichte von Jesus.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 288 vom 28.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Verfolgt von Anfang an

Diese Geschichte ist wirklich eigenartig und kaum mit dem Verstand nachzuvollziehen. Wie oft hatte ich mit Menschen darüber auch schon diskutiert. Es ist die Erzählung, die nur im Matthäusevangelium steht: „Die Flucht nach Ägypten“ und „Der Kindermord des Herodes“. Mit dem Verstand ist das auch nicht zu begreifen, dass andere Kinder sterben müssen, nur damit Jesus gerettet wird. Ich kann natürlich viele Argumente bringen, um diesen sog. „Kindermord in Bethlehem“ zu verteidigen wie z.B. „Nur so konnte Jesus seinen Auftrag erfüllen“. Aber ganz ehrlich: Wirklich überzeugend klingt das dann nicht, eher rechtfertigend.

Wichtiger ist es wohl, auf den Textzusammenhang zu schauen. In der Fachsprache wird das „Kontext“ genannt. Und da sehe ich vor allem bei Matthäus, wie oft er Bibelstellen aus dem Alten Testament zitiert. Er will damit aufzeigen, dass das Geschehen um die Geburt von Jesus Erfüllung von vielen alttestamentlichen Weissagungen ist. Er will einen Bogen setzen von der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel zur Geschichte mit Jesus und seinem Leben und Wirken. Er will damit zeigen: Dieser Jesus kommt von Gott und wer an ihn glaubt, der hat das ewige Leben.

Und zum Leben von Jesus selbst gehört von Anfang an auch Verfolgung und leiden dazu. Selbst nach der Geburt wird das schon sichtbar. Das Leben von Jesus ist in Gefahr. Sein Leiden, Sterben und neues Leben gilt vom ersten Tag seiner Geburt. Deshalb gehört zu seinem Auftrag auch die Geschichte vom „Kindermord des Herodes“ dazu, auch wenn es gut überlegt sein sollte, ob und wann ich das Kindern erzählen kann. „In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen“ (Matthäus 2, 18 und 1. Mose 35, 19).

Leider weiß es kaum einer, dass der heutige 28.12. auch liturgisch als „Tag der unschuldigen Kinder“ benannt ist mit eigenen liturgischen Texten und Liedern. Die Kirche hat also von Anfang an die Schwierigkeiten mit diesem Text gesehen und den Kindern von Bethlehem in einer besonderen Art und Weise gedacht. Und grundsätzlich gilt, dass Herodes ein gerissener, aber schlauer König war. Aber davon morgen mehr.

Hanna Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz schreibt: „Göttliches Kind, du bist Mensch geworden, nichts ist dir fremd, nichts ist dir verborgen. Deine Liebe ist größer als alles Elend dieser Welt. Du wirkst hinein in das ärmste Dasein eines Kindes irgendwo in dieser Welt. Du trägst und birgst alle Kinder dieser Erde“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 287 vom 27.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Jünger, den Jesus lieb hatte

Für Martin Luther war das Johannesevangelium das wichtigste überhaupt. Er liebte es darin zu lesen, zu lehren und zu predigen. Das hat einen einfachen Grund. Das Johannesevangelium ist nicht „historisch“ und „chronologisch“ angeordnet. Es geht nicht direkt von der Geburt von Jesus zu Kreuz und Auferstehung. Eine Geburtsgeschichte im üblichen Sinn wird nicht erzählt. Es beginnt sofort mit einer Verkündigung dessen, was Gott in Jesus in die Welt gebracht hat. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (Jo 1, 14). Es geht sofort darum, wer Jesus für mich und für die gesamte Welt ist. Er ist der fleischgewordene Gottessohn. Wörtlich heißt es: „Er zeltete unter uns“. Damit wird deutlich, dass Jesus hier auf dieser Erde immer unterwegs war. Er hat keine „bleibende Stätte, wo er sein Haupt niederlegen“ kann (Lukas 9, 58b).

Jesus ist unterwegs zu und mit den Menschen. Der Autor dieser neutestamentlichen Schrift wird nicht mit Namen genannt. Aber er steht in einer besonderen Verbindung zu seinem „Rabbi“. Er ist der sog. „Lieblingsjünger“. So wird er z.B. im cap. 21, 20 bezeichnet: „Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus liebhatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen hatte…“. Dieser Vers spielt darauf an, dass in Johannes 13, 23 und 25 steht: „Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus liebhatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu…Da lehnte er sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?“

Dieser Jünger wird mit Johannes identifiziert. In keinem anderen Evangelium und in den drei Johannesbriefen wird die Liebe Gottes so stark thematisiert. Manche fragen: Hat Jesus nur diesen Jünger lieb und die anderen nicht? Ich denke, dass das so nicht gesagt werden kann. Es ist umgekehrt: Kein anderer Jünger hat diese einzigartige Liebe Gottes durch Jesus so begreifen und annehmen können. Er legt sich an die Brust von Jesus wie ein kleines Kind. In allen Zeichnungen und Gemälden wird diese kleine Episode so gemalt, dass Johannes seinen Kopf an die Brust von Jesus anlehnt. Besser als vom „Lieblingsjünger“ zu reden wäre vielleicht vom Jünger zu sprechen, der wie kein anderer „die Liebe Jesu erwidert hat“. Und ehrlich? Ich frage mich oft genug, ob ich dazu in der Lage bin!

Heute am 27.12. ist der Gedenktag des Apostels Johannes. Es ist ein Tag, sich über die Liebe dieses Jüngers zu Jesus besonders Gedanken machen zu können. „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden“ (1. Johannesbrief 4, 9 – 10).

Wenn Corona will, steht (fast überall) wieder alles still, Update 286 vom 26.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Stein des Anstoßes

Herr Metzger, ich habe einen Zahn verloren“. Das hat eine Schülerin Monate später zu mir gesagt. Sie war da schon gar nicht mehr in der Grundschule in Altensittenbach. Was war geschehen? Ich hatte in der vierten Klasse die Geschichte von Stephanus erzählt und besprochen. Es lässt sich dann nicht verhindern, dass auch das Ende des ersten Märtyrers genannt und gelesen wurde. In der Regel sind die Schüler/-innen sehr aufmerksam. Vermutlich hatten sie diese Geschichte noch nie gehört.

Wir haben uns ausführlich in die Gedanken und in die Gefühle von Stephanus hinein versetzt. In diesen Unterrichtsstunden kommen wir dann auch auf Verfolgung von Christen in heutiger Zeit zu sprechen. Etwa 200 Millionen Christen sind davon weltweit betroffen. Ihr einziges Vergehen ist, dass sie an Jesus als Christus glauben. Der jährliche Weltverfolgungsindex von „Open Doors“ zeigt das überdeutlich.

Die Schüler/-innen waren so beeindruckt, dass sie in der Pause die Steinigung des Stephanus nachgespielt haben. Ich habe das nicht bemerkt und weiß bis heute nicht, wie sie das genau gemacht haben. Sie haben mir im Nachhinein nur erzählt, dass eine Mitschülerin den Stephanus gespielt hat und mit Steinen beworfen wurde. Offenbar hat ein Stein ihren Mund getroffen und ein Zahn wurde so verletzt, dass er gezogen worden ist. Mittlerweile sind diese Schüler/-innen schon von mir konfirmiert worden. Und mehrmals sind wir auf diese Begebenheit zu sprechen gekommen. Immerhin bin ich wirklich dankbar, dass die Eltern dieses Mädchen sich nicht bei mir beschwert haben. Ich konnte ja nichts dafür und ich hatte auch keine Pausenaufsicht. Ich bin aber froh, dass die „Steinigung des Stephanus“ auf dem Pausenhof in Altensittenbach nicht noch mehr Schaden angerichtet hat.

Aber heute am 26.12., am Gedenktag des Stephanus, fallen mir diese Gedanken natürlich ein. Und ich denke auch daran, wie es möglich war, dass Stephanus damals diese Kraft aufbringen konnte, so stark und fest an Jesus zu glauben: Es war die Kraft des Heiligen Geistes. Stephanus hat einen Blick in die unsichtbare Welt machen können und konnte handeln wie Jesus. Das erkenne ich an den folgenden Worten: „…und sie steinigten Stephanus, der reif den Herrn an und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Er fiel auf die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apostelgeschichte 7, 59 – 60).

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 285 vom 25.12.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen zeit von Pfr. Gerhard Metzger

Zwei Söhne sind uns gegeben

Das muss wirklich sehr eindrücklich für den Pfarrer gewesen sein. Zwei von seinen Kindern sind am Heiligen Abend geboren. Er hat es dennoch immer wieder geschafft, an den verschiedenen Gottesdiensten in der Gemeinde zu sein. Es spielte sich allerdings auch im vergangenen Jahrhundert ab. Ich habe das schon vor vielen Wochen geschrieben, dass damals die Männer bei den Geburten zumindest in Mittelfranken nicht dabei sein durften. Jedenfalls sind diesem Pfarrer eben zwei Söhne an verschiedenen Weihnachtstagen geboren. In der Kirchengemeinde wurden noch die sog. „Alten Introiten“ gesungen. Der Introitus ist der Psalm, der in der sonntäglichen Liturgie als Wechselgesang am Anfang eines lutherischen Gottesdienstes eine große Rolle spielt. Im Weihnachtsintroitus hieß es damals. „Uns ist ein Kind geboren“. Das wurde vom Pfarrer gesungen. Die Gemeinde antwortete mit: „Ein Sohn ist uns gegeben“. In der Erzählung wird überliefert, dass nicht nur die Gemeindemitglieder in diesen Festtagen auch äußerlich geschmunzelt haben.

Für den Pfarrer ist das also zweimal Realität geworden, dass ihm am Hl. Abend Söhne geboren worden sind. Es ist auch kaum zu verstehen, was am Hl. Abend gefeiert wird. Dieser Gott kommt herab und wird Mensch. Er wird wie Du und Ich. Besonders im Johannesevangelium wird das eindrücklich dargestellt. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1, 14). In den Übersetzungen der 70-er Jahre wurde aus „Fleisch“ der Begriff „Mensch“ gemacht. Anscheinend war die ursprüngliche und vom Urtext auch gestützte Übersetzung „Fleisch“ für viele nicht nachzuvollziehen. Die neue Lutherübersetzung von 2017 ist bei der Übersetzung „Fleisch“ geblieben. Das finde ich gut. Es drückt aus, wie radikal Gott gewesen ist, dass er seinen Sohn auf diese Welt gesandt hat. Dann wird umso stärker dieses Paradoxon sichtbar: Gott kommt herab auf die Welt und begibt sich in die Leiderfahrungen der Menschen.

Für Jesus hat das auch bedeutet: Er stirbt am Kreuz. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Johannes 1, 14).

Hanna Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz schreibt. „Du Kind in der Krippe, wie leere Krippen sind die Herzen der Menschen vor dir, arm und einsam. Du siehst sie alle. Du kommst in unsere Welt und willst da wohnen, wo die Einsamkeit am größten ist und die Armut zum Himmel schreit“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 284 vom 24.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Es soll nicht nur im Hintern, sondern auch im Herzen warm werden

Heute feiern Christen den Heiligen Abend. Viele Menschen verbinden damit „Weihnachten“. Streng genommen ist das falsch. Weihnachten – das Christfest ist am 25.12. Aber weil schon in der Alten Kirche Gottesdienste am Vorabend gefeiert wurden, rückte langsam aber sich der Tag vorher in den Mittelpunkt. Die Christmetten finden in der Dunkelheit kurz vor Mitternacht statt und haben sich seit etwa 50 Jahren auch in den evangelischen Gemeinden eingebürgert. Umso trauriger ist es, dass ausgerechnet sie in diesem Jahr ausfallen müssen.

Was war mein eindrücklichstes Erlebnisse an einem Heiligen Abend? Wer jetzt einen Bericht über besondere geistliche Geschehen erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Es war etwas ganz Weltliches. Am 24.12.1984 feierte ich zum ersten Mal als Pfarrer die Weihnachtsgottesdienste in drei Kirchengemeinden hintereinander um 16.00, 17.00 und 18.00 Uhr. Als ich in die Kirche in Weißenbach/Rhön eintrete, kommt der Mesner auf mich zu und meint: „Welch ein Glück, dass heute die Heizungen in den Kirchen von Unterfranken gehen. Als ich unsere eingeschaltet habe, kam kein Strom. Ich habe beim Unterfänkischen Überlandwerke angerufen. Die haben mir gesagt, dass vergessen worden ist, alle Kirchenheizungen an diesem Wochentag zu entsperren“. Tatsächlich war es so, dass die Zufuhr von Strom für Kirchen gerade am Nachmittag teilweise gesperrt war, um die hohe Stromlast in anderen Bereichen auszugleichen.

Im Gottesdienst habe ich ihm öffentlich für sein achtsames Handeln gelobt. Dabei habe ich einen Weihnachtswunsch hinterher geschickt: „Jetzt kommt es darauf an, dass es für uns alle auch warm im Herzen wird und nicht nur warm im Hintern“. Ich war über den spontanen Stabreim innerlich begeistert. Diese meine Begeisterung haben aber leider nicht alle Gottesdienstbesucher geteilt und es gab hinterher einige Diskussionen. Aber letztendlich haben die Gemeindemitglieder mir das als 26-jährigen neuen Pfarrer verziehen. Bis heute finde ich diese Formulierung durchaus witzig. Aber über Geschmack lässt sich ja bei Witzen immer auch streiten. Aber was mich wirklich gefreut hat, war: Der Mesner hat vom Stromversorger als Dank 30,– DM geschenkt bekommen.

Aber den Gedanken, dass Jesus in unseren Herzen wohnen soll, trifft Hanna Hümmer sehr gut mit folgenden Worten: „Ewiger, du wohnst nicht nur in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Du wohnst in der Tiefe unserer Herzen und weites uns zur göttlichen herberge, zur Hütte Gottes in dieser Zeit“.

Und als Einstimmung für diesen Tag ein kleines Klavierstück von meiner Schwägerin Silvia. Sie interpretiert ein bekanntes Weihnachtslied, das von Dieter Falk modern umgestaltet wurde.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, update 283 vom 23.12.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wie sieht das Christkind aus?

Morgen ist der 24.12.2020. Heiliger Abend. Ein Tag, der für einen Pfarrer zu den wichtigsten Tagen zählt. Manche Menschen sagen zu mir: „Ich will sie da gar nicht stören. Sie haben da ja so viel zu tun“. Stimmt. Auf der anderen Seite muss ich nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden. Lieder und Predigtgedanken ähneln sich Jahr für Jahr. Ein wenig gilt wohl für jeden Pfarrer das Motto: „Alle Jahr wieder kommen die Gottesdienste um das Christfest“. Außerdem stehen bei mir spätestens am 23.12. alle Predigten, Abläufe und Gebete.

Heute schreibe ich über eine Erinnerung aus meiner Kindheit. Ich komme aus der evangelischen Gegend um Rothenburg o/T. Die Christvesper war immer um 18.00 Uhr. Vorher mussten wichtige Arbeiten erledigt werden. Getreide schroten – kurzes Mittagessen – im Stall mithelfen – Kirchgang – zu Hause Plätzchen essen. Es war ein eingespielter Vorgang.

Als ich ein kleines Kind mit etwa 5 Jahren war, gab es noch eine besondere Situation. Ein oder zwei Mädchen von ungefähr 10 Jahren gingen von Haus zu Haus im weißen Gewand und mit Flügeln auf dem Rücken. „Das ist das Christkind“ wurde mir gesagt. Sie brachten ganz kleine Geschenke mit. Danach folgte eine Aufforderung, das Vaterunser zu beten. Das war für mich schon als kleines Kind kein Problem. Ich bin jeden Sonntag im Gottesdienst dabei gewesen und habe am Abend dieses Gebet gesprochen. Nach dem „Aufsagen“ des Vaterunsers wurde ich gelobt. Auch bei meinen Geschwistern war das so.

Aber war diese Tradition auch gut? Vielleicht haben mir und anderen Kindern die Knie beim Aufsagen gezittert? Vielleicht kam etwas in mein Leben hinein, das den Glauben an Jesus mit „Lernen“ und „richtigem Aufsagen“ in Verbindung gebracht hat? Da wird Glauben an Jesus schnell bewertet mit „richtig“ oder „falsch“. Dann entwickelt sich vor allem ein „verkopfter“ Glaube. Dabei bin ich gar nicht dagegen, dass Menschen Texte kennen und lernen, die andere Christen geschrieben haben oder in der Bibel stehen. Aber Glaube als Beziehung bedeutet doch noch etwas anderes: sein Herz öffnen und die Liebe Gottes in sich spüren. Denn er selbst, Gott, ist zu uns gekommen ohne jegliche Vorbedingung.

Hanna Hümmer von der Christusbruderschaft Selbitz schreibt: „Gott hat sich so klein gemacht, dass wir ihn empfangen können: im Stall, in der Krippe, in Brot und Wein. Unfassbares Geschehen der Entäußerung Gottes“.