Archiv für das Jahr: 2020

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 170 vom 01.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Kannst Du das Meer auslöffeln

Schon zweimal habe ich in diesem Rahmen in den letzten Tagen vom Kirchenvater Augustin geschrieben, der in diesen Tagen den 590. Todestag hatte. Kein anderer Theologe aus der Alten Kirche ist so wichtig wie dieser Bischof von Hippo. Von ihm wird eine Legende erzählt, die viel von seinem Denken verrät und die der ein oder andere vielleicht auch schon kennt.

„Man erzählt von ihm (= Augustin), dass er, zu der Zeit, als er das Buch über die Dreifaltigkeit vorbereitete, an einem Strand entlangging. Da erblickte er einen Knaben, der eine kleine Grube im Sand gemacht hatte und mit einem Löffel Wasser aus dem Meer schöpfte und in die Grube goss. Als Augustinus ihn fragte, was er da mache, antwortete der Knabe, er habe vor, mit dem Löffel das Meer trockenzulegen und in die Grube zu füllen. Augustinus erklärte, das sei unmöglich, und lächelte über die Einfalt des Knaben. Der aber erwiderte ihm, eher sei es für ihn möglich, das fertigzubringen, als für Augustinus, in seinem Buch auch nur den kleinsten Teil der Geheimnisse der Dreifaltigkeit zu erklären. Und er verglich die Grube mit dem Buch, das Meer mit der Dreifaltigkeit und den Löffel mit dem Verstand des Augustinus. Danach verschwand er. Da ging Augustinus in sich, betete und verfasste danach, so gut er konnte, das Buch über die Dreifaltigkeit“.

Und noch ein paar weitere Zitate von Augustin zum Nachdenken:

„Auferstehung ist unser Glaube, Wiedersehen unsere Hoffnung, Gedenken unsere Liebe“.

„Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben, unter Gottes Hand gestaltet ich mein Leben, in Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück“.

„Bete, als hinge alles von Gott ab. Handle, als hinge alles von dir ab“.

„Das Wort Gottes gleicht einer Fischangel, die dann ergreift, wenn sie ergriffen wird“.

„Der Mensch kann nur glauben, wenn er will“.

„Die Menschen klagen darüber, dass die Zeiten böse sind. Hört auf mit dem Klagen. Bessert euch selber. Denn nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun“.

„Die Toten sind nicht tot, sie sind nur nicht mehr sichtbar. Sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer“.

„Die Worte der Schrift sollten in unseren Köpfen und Herzen Nester haben“.

„Eine Regierung ohne Gott ist im besten Falle eine einigermaßen gut organisierte Räuberbande“.

„Wer die Geduld verliert, verliert die Kraft“.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 169 vom 31.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wir schaffen das – hoffentlich

Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das“. Dieser Satz von Angela Merkel am 31.08.2015 und damit genau heute vor fünf Jahren gehört wohl zu den bekanntesten und nachhaltigsten Sätzen, die je in Deutschland gesprochen worden sind. Das erkenne ich daran, dass er bis heute heftig und kontrovers diskutiert wird und dass ihn fast jeder Deutsche kennt und darüber hinaus auch viele in der Welt.

Ich habe vor einer Woche einen interessanten Rundfunkkommentar gehört. Darin beschreibt der Kommentator, dass tatsächlich viele – vor allem männliche Flüchtlinge – sehr gut in Deutschland integriert sind. Viele Familien haben eigene Wohnungen gefunden und die sog. Flüchtlingsheime haben stark abgenommen. In der Schule bemerke ich, dass viele Kinder von Flüchtlinge mittlerweile sehr gut Deutsch sprechen. Vor zwei Woche kam ich darüber ins Gespräch mit einer Kurdin, die mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Sie hat zwei Kinder und die große Tochter kommt in diesem Jahr in die Grundschule von Altensittenbach. Ich habe sie danach gefragt, ob mit den Kindern deutsch gesprochen wird. Ihre Antwort war für mich interessant und deckt sich auch mit meinen eigenen Beobachtungen. „Zu Hause sprechen wir mit ihr kurdisch, im Kindergarten und mit Freunden sprechen die Kinder deutsch. Die deutsche Sprache können sie sehr viel besser als die kurdische Sprache“. Ich entdecke: Die Familie hilft mit, dass Integration gelingt.

Wir schaffen das“ – ich habe in diesen Coronazeiten oft über diesen Satz nachgedacht. Schaffen wir es auch, diese Pandemie so zu überwinden, dass nicht erst in weiter Zukunft ein einigermaßen normales Leben wieder möglich ist? Wer schenkt uns dazu Kraft und die notwendige Einstellung und Motivation? Meine Gedanken gehen zurück an die Geschehnisse vor 2000 Jahren in Galiläa. Jesus versammelt seine Jünger um sich und verabschiedet sich von ihnen. Es kommt zu den berühmten Worten „Matthäi zum Letzten“. Es ist der Missionsbefehl: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 19 – 20).

Jesus sagt das zu elf Jüngern. Das ist einer weniger als die ursprünglich Berufenen. Viele von ihnen waren einfach Leute wie z.B. Fischer. Und dann solch ein Auftrag!! Heute sprechen wir von einem „globalen“ Auftrag für die ganze Welt. Menschlich gesehen sind diese elf Männer damit völlig überfordert. Diesen Auftrag auszuführen war wie eine Herkulesaufgabe. Fast alle Jünger sind dem Märtyrertod gestorben. Aber sie wussten: Jesus hat sie dazu gesandt. Von ihm her bekommen wir die Kraft, die nötig ist. Und das ist auch eine Verheißung für die Verantwortlichen dieser Zeit: Überlegt, diskutiert und beschließt im Namen von Jesus Christus. Seine Gegenwart geht mitten in dieser Krise nicht verloren (siehe auch Update 165 vom 27.08.2020).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 168 vom 30.08.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Prädikant Alexander Krause:

Liebe Brüder und Schwestern!

Das ist eine für unsere Ohren ganz ungewöhnliche Anrede. Wenn ich Sie so anspreche, jede und jeden als meinen Bruder bzw. meine Schwester, dann sage ich damit, dass wir alle eine Familie sind. Dass wir eine gemeinsame Gruppe sind, dass wir zueinander gehören. Aber ich sage damit auch, dass wir gemeinsame Eltern haben, dass wir alle gemeinsam Kinder Gottes sind. Dass wir eins sind und eben nicht ich der Ihnen vorgesetzte Prediger und Sie die mir irgendwie untergebene Gemeinde, die ganz ganz brav zuhört. Wie eine Familie eben.

Aber natürlich ist das nicht immer so ganz richtig, denn wir sind schließlich nicht alle gleich und es ist nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen. Aber wir sind die von Gott geliebten Kinder! Alle miteinander. Wie wir den Glauben leben, welche Frömmigkeit wir da umsetzen, wie wir beten, was wir singen, das ist völlig unerheblich, da gibt es keine genauen Regeln. Wichtig ist, für wen und warum wir den Glauben leben: Jesus Christus.

Ich wünsche mir für mich selbst und alle Menschen, dass wir immer wieder auf Jesus Christus schauen, weg von den Menschen, weg von den „Anführern“ der Gemeinde, dass wir sehen, worum es in dieser unseren Kirche wirklich geht: Um Liebe, Frieden und die Hoffnung auf die endgültige Erlösung und Errettung von der Sünde.

Wenn wir also sagen: Liebe Brüder und Schwestern, dann betonen wir genau das! Wir sind alle Brüder und Schwester, und unser Vater ist der Allmächtige Gott, der seinen einzigen Sohn nur für uns hingegeben zu unserer Erlösung. Und als Brüder und Schwestern werden wir irgendwann auferweckt und werden gemeinsam leben im Reich Gottes.

Denn »der Herr kennt die Gedanken der Weisen, dass sie nichtig sind.« Darum rühme sich niemand eines Menschen; denn alles ist euer: Es sei Paulus oder Apollos oder Kephas, es sei Welt oder Leben oder Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes. (1Kor 3, 20b–23)

Amen.


Siehe auch: https://kibotos.de/2020/08/30/zu-12-p-trin-liebe-brueder-und-schwestern/

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 167 vom 29.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein bisschen Schläue gehört auch zu einem Examen

Kannst Du mir ein paar Tipps für das erste Examen geben?“ Diese Frage richtete ich an einen Mitstudenten, der gerade diese Prüfung hinter sich gebracht hatte und darauf wartete, dass ihm sein Ort für das Vikariat mitgeteilt wird. Er überlegt nicht lange. „Versuch rechtzeitig heraus zu bekommen, welche Prüfer du in den einzelnen Fächer haben könntest. Und wenn welche von der theologischen Fakultät in Erlangen dabei sind, dann gehe in ihre Vorlesungen. Dann erfährst Du etwas über ihre Art des Denkens und über ihre Vorlieben für Theologen“.

Ein sehr guter Rat, den ich als Erlanger Student umgesetzt habe. Und so habe ich schon acht Monate vor den Prüfungen im Landeskirchenamt angerufen und die Namen der Prüfer (es waren keine Frauen dabei!!) erfahren. Weil wir 1982 80 Examenskandidaten waren (eine Traumanzahl im Vergleich zu heute), wurden mir für jedes Fach zwei Prüfer genannt. Immerhin war damit die Chance noch 50 %, einen Prüfer aus Erlangen zu erwischen.

Ein Treffer ins Schwarze war der Bereich „Kirchengeschichte“. Ich habe bei Prof. Beyschlag zwei Semester lang die Vorlesung zum Bereich „Alte Kirche“ gehört. Ungefähr 70 % des gesamten Inhaltes befassten sich mit dem Kirchenvater Augustin (siehe mein gestriges Update 166). Ein Satz von ihm ist mir dabei ganz haften geblieben. „Augustin war der größte Mystiker der Kirchengeschichte“. Das Examen kam. Es werden immer zwei Themen angeboten. Das erste Thema hieß: „Die Reformationsgeschichte von 1521 – 1530“. Da wusste ich schon etwas. Aber ich dachte mir: Da darf ich keine Kleinigkeit vergessen. Da muss ich jedes Ereignis nennen. Naja. Schau ich mal auf das zweite Thema: „Die Mystik im Laufe der Kirchengeschichte“. Dieses Thema war also das glatte Gegenteil vom ersten Thema. Bei diesem zweiten Thema ging es um einige Grundzüge von Jesus bis zur gegenwärtigen charismatischen Bewegung, die ich selbst von innen kannte. Ich überlegte mir kurz: Die meisten werden wohl das erste Thema nehmen, weil nicht viele über die Mystik Bescheid wissen. Aber ich hatte den Satz von Prof. Beyschlag im Kopf und wusste sehr viel über den Kirchenvater. Also schrieb ich insgesamt sieben von 13 Seiten über Augustin mit dem Schlussergebnis: „Augustin war der größte Mystiker der Kirchengeschichte“. Im Hinterkopf hatte ich: Sollte ich Wesentliches vergessen habe, so stimmt immerhin der Schluss und das wird Prof. Beyschlag doch wohl honorieren.

So war es dann auch. Nur vier von den über 80 Examenskandidaten haben das Thema „Mystik“ genommen und ich habe eine sehr gute Note bekommen, auf die ich auch ein wenig stolz war. Von daher habe ich den Hl. Augustin sehr viel zu verdanken. Und bis heute wirkt er anregend auf mich, auch wenn viele seiner Thesen durchaus anders beurteilt werden können. Aber seine theologische Leistung ist so herausragend, dass ich noch heute diese Vorlesungen von Prof. Beyschlag in guter Erinnerung habe und viele Zitate dieses Kirchenvaters zum Nachdenken anregen.

Hier zwei Beispiele: „Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut“ und „Gott sieht die Welt als wäre sie ein einzelner und er sieht den einzelnen, als wäre er die Welt“. Und sein bekanntestes Zitat als größter Mystiker der Kirchengeschichte lautet: „Ich hätte dich, Gott nicht gefunden, wenn Du, Gott mich nicht gefunden hättest“. Und noch ein paar mehr Zitate von ihm gibt es in drei Tagen beim Update 170.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 166 vom 28.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Das Kind der Tränen

Ein Mann von 31 Jahren geht abends durch die Straßen von Mailand. Er ist auf dem Weg nach Hause. Eigentlich könnte er ganz zufrieden sein. Nach einigem hin und her in seinem Leben, lebt er als Professor im Zentrum des römischen Kaiserreiches. Er wird oft als Festredner bei Geburtstagen und anderen Anlässen eingeteilt. Diese Funktion ist nach heutigen Maßstäben mit einem Regierungssprecher zu vergleichen Er lebt mit eine Frau in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammen und die beiden haben einen Sohn. Er trennt sich von der Frau. Er soll heiraten. Aber innerlich ist er der Meinung, dass er ehelos bleiben müsste in seinem Streben nach konsequenten Christsein. Er ist völlig verunsichert. Er steckt in einer tiefen Lebenskrise und sucht nach Antwort. Er spürt, dass er eine fundamentale und radikale Lebenswende braucht. Er hat dazu aber nicht den Mut.

Er ist allein im Garten und ringt um eine Entscheidung. Da ist es ihm als höre er eine Kinderstimme: „Tolle, lege“. „Nimm und lies“. Was soll er nehmen? Was soll er lesen? Er greift zur Bibel und schlägt sie auf. Was er liest, trifft ihn wie ein Schlag: „Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt“ (Römerbrief 13, 13 – 14).

Er weiß sofort: Gott hat zu ihm deutlich gesprochen. Es kommt zur Lebenswende. Er entscheidet sich endgültig für Ehelosigkeit, gibt seinen Beruf als Redner auf und zieht sich mit Freunden und Verwandten auf ein Landgut zurück. Er informiert seine Mutter, die eine fromme Frau war und oft wegen des Lebenswandels des Sohnes geweint hat. „Die Tränen der Mutter haben mich gerettet“ formuliert er später in seinen Lebenserinnerungen. „Ein Kind solcher Tränen der Mutter kann nicht verloren gehen“ – so schreibt er. Er nimmt Taufunterricht und lässt sich am Ostersonntag 387 von Bischof Ambrosius in Mailand taufen. Die Mutter stirbt bald darauf. Aber sie hat noch erfahren, wie ihr Sohn diesen Lebenswandel vollzogen hat. Gebildet und intellektuell war er. Sprachlich hat ihm niemanden etwas vorgemacht. Sieben Jahre später wird er Bischof von Hippo im heutigen Nordafrika. Bis heute ist er der Mann der Antike, dessen Leben wie bei keinem anderen offen vor uns steht. Denn er hat sein Leben selbst in einer geistlichen Autobiographie geschrieben.

Und so kennen wir den Kirchenvater Augustin fast in allen Einzelheiten. „Confessiones“ nennt er seine Lebensbeschreibung. „Bekenntnisse“ – das waren und sind sie auch. Er wird damit bis heute zum Urbild all jener Christen, die den Wandel ihres Lebens vor und nach dem Ja zu Christus in alle Einzelheiten beschreiben. Ich selbst habe das so nicht erlebt. Ich bin schon als kleines Kind mit Jesus aufgewachsen und habe mein Ja zu Christus an der Konfirmation ganz bewusst gesagt. Aber ich kenne Menschen, die das so ähnlich wie Augustin erlebt haben.

Über seine einzelnen theologischen Meinungen lässt es sich trefflich streiten. Aber er hat Einfluss über Jahrhunderte bis heute auf viele geistliche Menschen genommen. Nicht zuletzt auch auf Martin Luther, der in ein Kloster der Augustiner-Chorherren eingetreten ist. Aber eines bleibt festzustellen: Aus der Krise heraus hat Augustin ein neues Leben gefunden. Heute vor genau 1.590 Jahren, am 28.08.430 n. Chr. ist er gestorben. Deshalb ist heute sein Heiligengedenktag. Und weil seine Mutter Monica mit ihrem Glauben und mit ihren Tränen für den Sohn solch einen großen Einfluss hatte, hat man den Tag vorher, den 27.08. ihr gewidmet. Das vielleicht berühmteste Zitat von Augustin lautet: „Mensch, lerne tanzen, sonst können die Engel im Himmel mit dir nichts anfangen“.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, update 165 vom 27.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gott ist gegenwärtig

Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfrucht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder“.

Dieses bekannte Lied von Gerhard Terstegen steht unter der Nr. 165 im Evangelischen Gesangbuch. Es hat mich heute für das Schreiben von Update 165 inspiriert. Terstegen hat es 1729 in seinem “Geistlichen Blumengärtlein inniger Seelen“ veröffentlicht. Mit der Melodie von Joachim Neander gehört es für mich zu den schönsten alten Chorälen. Terstegen gehört zu den bedeutendsten evangelischen Mystikern überhaupt. Deshalb hat er viele Gegner gehabt und nur wenige seiner Lieder sind im Gesangbuch übernommen worden.

Evangelische Christen haben jahrelang einseitig Wert auf das Wort gelegt und andere Gedanken sind kaum zum Zug gekommen. Wer das Lied genau liest, dem fällt vermutlich vor allem der Vers fünf auf: „Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben. Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden“.

Terstegen beschreibt als letztes Ziel des Glaubens die Sehnsucht des mystischen Einswerdens mit Gott. Heute gehen auch viele evangelische Christen zu ignatianischen Exerzitien, üben das sog. Herzensgebet und üben in der Stille das „Hören auf Gott“. Ich bin darüber sehr froh. Mir selbst liegt die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes sehr nahe und ich fühle mich wohl, wenn biblische Sprüche und Gedanken mein geistliches Leben bereichern. Aber das ist oft „kopflastig“. Gerhard Terstegen hilft mir, immer wieder zu sehen, dass das Wort der Bibel mich ganzheitlich betrifft.

Vor allem hilft mir dieses Lied auch daran festzuhalten, dass auch in Krisenzeiten die Gegenwart Gottes größer ist als alle Angst. Und wenn jemand in mystischer Versenkung diese Gegenwart Gottes in besonderer Art und Weise für sich spürt, finde ich das sehr gut. Gott hat viele Wege, Menschen anzusprechen. Und bei diesem Lied von Gerhard Terstegen wird der Abstand von Gott als personales Gegenüber zum Menschen ja nicht aufgehoben. Paulus sagt in seiner Areopagrede in Athen: „…fürwahr, er (Gott) ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (Apostelgeschichte 17, 27b – 28a).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 164 vom 26.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Du bist der Mann

Gestern war der Namenstag von David. Er hat Gott und Menschen mitten in der Lebenskrise in noch jungen Jahren vertraut. Das hat ihm geholfen und er konnte seinen Lebensplan erkennen, den Gott für ihn bereitet hat. Nach vielen Jahren wird er König in Hebron und in Juda. Zuletzt erobert er die Jebusiterstadt Jerusalem und baut diese zur neuen Hauptstadt auf. So ist es David zu verdanken, dass Jerusalem bis heute eine herausragende Stellung hat.

Alles paletti! Nein, ist es nicht. Wer kennt nicht die Geschichte von Batseba. Sie steht im zweiten Samuelbuch im 11. und 12. Kapitel. David sieht diese Frau am Abend auf dem Flachdach ihres Hauses baden. Er begehrt sie, aber sie ist schon mit Uria verheiratet, der gerade als Soldat für das Reich von David kämpft. David lässt die Frau holen und sie verbringen eine gemeinsame Nacht. Batseba wird schwanger und David hat damit ein Problem bekommen. Mit großer Hinterlist und Intrige erreicht er, dass Uria im Kampf stirbt. David heiratet sofort die Batseba und nach außen geht alles seinen gewohnten Gang. Ein Sohn wird geboren. Aber Gott lässt sich nicht hinter das Licht führen. Er sendet den Propheten Nathan zu David. Dieser verwickelt ihn in eine Parabel und David spricht sein eigenes Urteil aus: „Der Mann ist ein Kind des Todes, der solches getan hat“ (2. Samuel 12, 5).

Du bist der Mann“ – diese Worte haben David sicherlich in Mark und Bein getroffen. David tut Buße, aber das Kind stirbt. Wie oft habe ich mit Schulkindern darüber gesprochen, ob das von Gott richtig war, dass ein Kind für die Sünde seines Vaters sterben muss. Ich werde im Himmel einmal diese Frage auch Gott stellen und bin auf die Antwort gespannt. Interessant ist für mich, dass in der Parallelerzählung der Königsgeschichten von Israel und Juda (die beiden Königsbücher) diese Geschichte ausgelassen wird. Sie war diesem Erzähler wohl zu anrüchig bzw. er wollte David nicht in Misskredit bringen. Aber vor Gott kann niemand die Wahrheit geheim halten. Gott weiß um unser Tun und auch um unsere innere Motivation für unsere Taten.

Das gilt auch in der Coronakrise. Alle Entscheidungen von Verantwortungsträgern, alle Proteste, alle Verschwörungstheorien werden einmal von Gott geprüft werden. Er kennt die Herzen der Menschen. Es bleibt das Gebet, das David nach diesem Geschehen zugeschrieben worden ist: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus“ (Psalm 51, 12ff).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 163 vom 25.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Noch einmal davon gekommen

Das waren wirklich seltsame Dinge, die er schon als kleiner Junge erlebt hat. Zuerst wird er von der Herde heimgerufen. Ein alter Mann steht vor ihm und schüttet Öl über seinen Kopf. Dann murmelt dieser noch ein paar Worte von König und ähnliches. Was soll er sich dabei denken? Später kommt er an den Königshof um dem König etwas vorzuspielen. Dieser fällt immer wieder in eine Depression. Oft genug geht das von einem Augenblick zum anderen. Er scheint guter Laune zu sein. Und nur wenige Minuten später verfällt er in Starre, wird mürrisch und ärgerlich. Er ist nicht mehr Herr über sein Handeln. Die Bediensteten bekommen Angst und können das alles nicht einordnen.

Musik hilft weiter – heißt es. Das ist ja auch heute noch eine gute Möglichkeit der Therapie für depressiv Kranke: kreativ sich zu betätigen. Manche malen und andere versuchen mit Musik solch ein Tief zu überwinden und an die Ursache ihrer Depression zu gelangen. „Seht euch um nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir“. So lautet der Befehl. Immerhin: Der König erkennt seine Krankheit und sucht Hilfe. Das ist ein erster Schritt aus seiner Krankheit heraus. Dieser Hirtenjunge wird geholt und spielt immer wieder auf seiner Harfe, damit der König seine Depressionen überwinden kann.

Dann wird die Geschichte im 1. Samuelbuch, Kapitel 17 erzählt, wie dieser Hirtenjunge David den Philister Goliath besiegt hat. Die Menschen bejubeln ihn darauf hin und singen: „Saul hat 1000 Mann geschlagen, David aber zehn mal Tausend“. Das war für Saul zu viel. Der Neid kommt hoch und auch die Angst des Machtverlustes bzw. dass die Menschen sich David mehr zuwenden als ihm.

Eines Tages spielt David wieder einmal bei Saul. Der König nimmt den Speer und wirft ihn um David zu töten. Dieser weicht aus und weiß, dass seine Zeit bei Saul zu Ende geht. Mit Hilfe seines Freundes Jonathan, der zugleich der Sohn von Saul ist, gelingt ihm die Flucht. So kommt David gut aus seiner Lebenskrise heraus. Er vertraut auf Gott und verlässt sich auf Hilfe durch Freunde.

Eine gute Art und Weise, Krisen zu bewältigen. Das haben hoffentlich auch viele der Leser/-innen in den letzten Wochen und Monaten erfahren. Aber es gilt, diese Gewissheit in Gott und in Menschen immer wieder neu zu leben. Immerhin hatte David die Verheißung Gottes im Ohr: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an“ (1. Sam 16, 31). Und diese Verheißung gilt nicht nur heute, am Gedenktag des David im Heiligenkalender.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 162 vom 24.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Bartholomäusnacht

Es war eine der schwersten Krisen für evangelische Christen überhaupt. Es war die Nacht vom 23.08. zum 24.08.1572 und damit heute vor genau 449 Jahren. Es war ein Pogrom an den französischen Protestanten. Deshalb ging dieses Ereignis als die Bartholomäusnacht ein. Sie wird auch die „Blutnacht“ genannt. Der französische Admiral Gaspard de Coligny und weitere Führer der Hugenotten wurden in dieser Nacht grausam getötet. Die Ermordung war klug ausgedacht. Denn die Führer waren alle anlässlich der Hochzeit des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margarete von Valois in Paris versammelt. Die Hochzeit sollte zur Versöhnung dienen und bewirkte genau das Gegenteil.

Es ist das zentrale Ereignis der sog. Hugenottenkriege. Durch die Straßen von Paris zog sich eine Welle der Gewalt, die sich über ganz Frankreich ausbreitete und den etwa 3000 Protestanten zum Opfer fielen. König Franz I. hatte 1535 erstmals Protestanten in Paris verbrennen lassen. Es kam auch später zu weiteren Ausschreitungen. Das alles verhinderte aber nicht, dass die reformierte evangelische Kirche in Frankreich vermutlich über eine Millionen Anhänger hatte. Ein Augenzeuge berichtet: „Da setzte überall in Paris ein Gemetzel ein, dass es bald keine Gasse mehr gab, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floss über die Straßen, als habe es stark geregnet. Schon war der Fluss mit Leichen bedeckt und ganz rot vom Blut“. Dennoch gingen die Religionskämpfe weiter und führten zum berühmten Edikt von Nantes im Jahr 1598. Darin wurden den Protestanten politische Sonderrechte zugebilligt.

In der Oberstufe im Gymnasium haben wir im Deutschunterricht in der 11. Klasse das Reclam-Heft zur Bartholomäusnacht gelesen und besprochen. Ich war sehr betroffen und gleichzeitig spielt seitdem der 24.08. in meinem Leben bis heute eine gewisse Rolle. Ich war überrascht und erstaunt, dass die Kirche in Alfeld eine Bartholomäuskirche ist und dort noch – wie nur in wenigen Kirchengemeinden hier im Hersbrucker Land – die Kirchweih nach dem Heiligengedenktag gefeiert wird. Es ist immer der Sonntag, der dem Bartholomäustag am nächsten liegt.

Ich kann jetzt besser verstehen, warum die Hugenotten mit einer unglaublichen Zähigkeit auch später in anderen Ländern Fuß gefasst und eigene Gemeinden gegründet haben wie z.B. in Erlangen. Dort steht bis heute am Busbahnhof die Hugenottenkirche.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 161 vom 23.08.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Lektorin Christl Schäfer-Geiger

Weißer oder schwarzer Hut?

In der Zeit als Fernsehen noch am Abend stattfand und die Auswahl auf drei Programme begrenzt war, hatten Western ihren Höhepunkt. Von Bonanza, High Chaparral und der Shiloh Ranch bis zu den Rauchenden Colts gab es genügend Auswahl. Die Handlung war bei allen absolut überschaubar. Es ging immer um Gut gegen Böse. Und immer konnte man sich sicher sein, dass der Gute gewinnt, so hoffnungslos seine Situation auch aussah. Am Ende ritt der Held dann immer begleitet von guter Musik in den Sonnenuntergang und alle waren glücklich.

Was bei diesen Filmen dem Zuschauer Sicherheit gab, war die Tatsache,  dass man von Anfang an wusste, wer der Gute und wer der Böse war. Der Gute trug einen weißen Hut und der Böse einen schwarzen. Das war immer so. Das heißt, die Rollenverteilung war klar.

Im Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner im Lukasevangelium (LK 18, 9-14) sind die Hüte auch schnell verteilt. Der Pharisäer bekommt den schwarzen Hut und der Zöllner den weißen.

Allerdings waren die Pharisäer damals aufrichtige Leute, tüchtig, fromm, ehrlich und rechtschaffen. Das Problem war, dass sie scheinheilig auf andere herabsahen.
Der Zöllner war da viel ehrlicher, er wusste, dass er vieles in seinem Leben falsch gemacht hatte. Er hatte betrogen und ausgetrickst.

Aber beide kamen zum Tempel weil sie das Bedürfnis hatten, da zu beten, wo Gott ihnen nahe war.

Es liegen jetzt schon zahlreiche Coronatage hinter uns und für viele hat sich nicht nur der Abstand verändert. Wir sind umgeben von ängstlichen Menschen und von Leugnern, von Menschen, die nicht mehr wissen, was sie denken sollen, die Angst haben und unsicher sind. Und von Menschen, die sehr selbstbewusst sind, die alles besser wissen und auf andere herabschauen.

Dabei braucht es das gar nicht.  Ein Hüte-Verteilen ist nicht notwendig. Gott sagt von sich aus Ja zu einem Menschen. Er sagt: „Du bist mir recht, so wie du bist.“ Keiner muss sich vor Gott vergleichen mit anderen oder gar zeigen, wie gut er ist.